Berliner Zeitung, May 12, 1999

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Ein großes Konzert mit Elvis Costello und Steve Nieve im SFB-Sendesaal Fünf-Minuten-Tragödien


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   Torsten Wahl

Das Publikum applaudiert noch stehend nach einer weiteren Zugabe, da schleicht sich Elvis Costello auf die Bühne zurück, greift zur Gitarre und raunt "I Want You." Augenblicklich ist es still im Saal, so direkt, so unverstellt singt der Mann von unerfüllter Leidenschaft. Selbst Sänger wie Bob Dylan oder John Lennon trugen ihre Songs mit dieser Botschaft nicht mit einer so eindringlichen Leidenschaft vor wie Elvis Costello. Der englische Regisseur Michael Winterbottom baute sogar einen Spielfilm um den Costello-Klassiker herum ohne die emotionale Kraft der fünf Minuten Stimme zur Gitarre zu übertreffen.

Elvis Costello hat in den mehr als zwanzig Jahren seiner Karriere einige so erschütternde Songs geschrieben, die sich den üblichen Kategorien Rock-Ballade, Chanson oder intelligenter Schlager entziehen. Er eignete sich diverse Stile an, begann als später Punk, wurde bekannt als zorniger New-Waver, überraschte durch Ausflüge zum Country, zu Filmmusik und Soul. Mitte der achtziger Jahre hatte er seinen kunstvoll arrangierten Pop-Sound gefunden, der mitreißend sein konnte und fragil. Seine Alben erwartete man so gespannt wie neue Woody-Allen-Filme.

In den Neunzigern wirkte er etwas ratlos und schien durch die Kooperation mit dem klassischen Brodsky Quartet in die Gefilde seriöser Salonkunst auszuweichen. Dann tat sich Costello ausgerechnet mit Burt Bacharach, dem Sound-Meister der 60er, zusammen und schuf mit Painted From Memory ein Album, in dem fast alle zwölf Titel das Format von "I Want You" haben. Mit einer quengeligen, zuweilen gequälten Stimme sang er von Abschied, Trennung und zerstörter Liebe, begleitet von einem ausladenden, raffinierten Orchestersound, der souverän am Abgrund zum Kitsch entlangbalancierte.

Die Lieder von Painted From Memory bilden auch das Gerüst für diesen Auftritt im SFB-Sendesaal, bei dem er nur von Pianist Steve Nieve begleitet wird, seinem langjährigen Begleiter seit den Tagen seiner früheren Band The Attractions. Auch in diesem sparsamen Arrangement haben die schwelgerischen Stücke nichts von ihrer Kraft verloren. Dabei müßte es eigentlich kurios wirken, wenn Costello die Background-Chöre selbst im Diskant mitsingt. Doch er versenkt sich so tief in seine Fünf-Minuten-Tragödien, daß das Publikum den Atem anhält. Noch Sekunden nach Songs wie "What's Her Name Today?" ist es still im Saal. Erst als Costello die Rolle als Verwundeter und Hoffnungsloser abschüttelt und sich wieder als witziger, schlagfertiger Entertainer erweist, entspannen sich die Zuhörer.

Zwischen den Memory-Songs spielen Costello und Nieve Stücke aus nahezu allen Alben, mischen frühe Nummern wie "Alison," "Red Shoes" oder "Chelsea" mit neueren Titeln wie "All This Useless Beauty" und lassen mit "Inch By Inch" oder "Pads, Paws And Claws" die späten Achtziger aufleben. Die Reaktionen im Saal verraten, daß selbst hartnäckige Kenner nicht jede Nummer kennen Costello und Nieve können ihr Repertoire aus fast 300 Titeln zusammenstellen.

Im Zugabenblock schließlich sorgt Costello für noch mehr Abwechslung, greift zur elektrischen Gitarre und singt "Everyday I Write The Book" zusammen mit Ron Sexsmith, der mit seinen filigranen Folksongs den Abend eröffnet hatte.

Der Abschluß schließlich ist den Fans vorbehalten. Die Ballade "Couldn't Call It Unexpected No. 4" singt Costello ohne Mikrofon.

Nur eins störte dieses Konzert: Immer wenn eine Tür des SFB-Sendesaals geöffnet wurde, strömte helles Licht von draußen quer über alle Reihen. Aber manchmal möchte man einfach zuhören, wenn Costello mit vibrierender Stimme singt "In The Darkest Place."


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Berliner Zeitung, May 12, 1999


Torsten Wahl reviews Elvis Costello and Steve Nieve, Monday, May 10, 1999, Großer Sendesaal des SFB, Berlin, Germany.


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