Deutschlandfunk Kultur, November 9, 2015

From The Elvis Costello Wiki
Jump to navigationJump to search
... Bibliography ...
727677787980818283
848586878889909192
939495969798990001
020304050607080910
111213141516171819
202122232425 26 27 28


Deutschlandfunk Kultur

Germany publications

Newspapers

Magazines

Online publications


European publications

-
Elvis Costellos Autobiografie

Lose Erinnerungen eines Pop-Chamäleons


translate
   Olga Hochweis

Elvis Costello, der Meister des Drei-Minuten-Songs, hat nun ein 700-Seiten-Epos vorgelegt. Er überzeugt dabei durchaus mit Sprachwitz, Intelligenz und Leidenschaft. Costello liefert kleine persönliche Geschichten, die zugleich Musik-und Zeitgeschichte der letzten fünf Jahrzehnte transportieren.

Eines der markantesten Kennzeichen von Elvis Costello ist seine stilistische Unberechenbarkeit. Wie ein Chamäleon hat der Brite seit Ende der 1970er Jahre bis heute – solistisch wie auch mit seinen Bands „The Attractions“ oder später den „Imposters“ – die Klangfarbe seiner Songs immer wieder gewechselt. Von Punk und New Wave, Rock und Pop über Motown-Soul, Jazz und Blues bis hin zu quasi-klassischer Stilistik reicht die Palette an Sounds, die er für seine Songtexte gewählt hat.

Als „treulose Musik“ bezeichnet Costello die Freiheit, sich nicht festlegen zu lassen – so wie Musik an sich nicht instrumentalisieren lässt. Mit seinen Memoiren „Unfaithful Music – Mein Leben“ legt der 61-Jährige konsequenterweise nun auch ein Buch vor, das sich Freiheiten erlaubt und herkömmliche Erwartungen an eine Autobiographie unterläuft.

Über 700 Seiten erstreckt sich das Mammutwerk, das auf jede Chronologie verzichtet und kreuz und quer durch die Jahrzehnte springt. Dabei unternimmt Costello sogar Ausflüge in Zeiten, die er selbst gar nicht erlebt hat, wenn er etwa mehrere Kapitel dem Leben seines Urgroßvaters und seiner Großeltern und Eltern widmet – und diese wiederum quer über das Buch verstreut platziert.

Eine lose Struktur verleiht Costello seinem Buch durch 36 Kapitel, die in ihren poetisch-assoziativen Titeln angelehnt sind an Songtitel nicht nur des eigenen Werks ("I want to vanish“ oder „The River in Reverse"), sondern auch solche von anderen Interpreten.

Pop-enzyklopädische Kennerschaft

Der Titel des Einstiegskapitels „A White Boy in Hammersmith Palais“ über seine ersten Konzertbesuche als Kind variiert z.B. den Songtitel „White Man in Hammersmith Palais“ von The Clash. Das Spiel mit Worten und vielfältigen Assoziationen erinnert an Costellos altbewährte Fähigkeiten Sprachwitz, Ironie und Kreativität, es verbindet Leben und Musik und es verweist auf die pop-enzyklopädische Kennerschaft des Briten, die ihn über die Jahrzehnte zum vielgefragten Kollaborationspartner von so unterschiedlichen Kollegen wie Paul McCartney, Burt Bacharach, Allan Toussaint oder Questlove von der Hiphop-Band The Roots gemacht hat.

Ausführlich berichtet Costello von diesen und anderen Projekten, wie sie zustande gekommen und verlaufen sind – allerdings streckenweise so weitschweifig und penibel, dass sich hier selbst Costello-Fans langweilen müssen.

Kurzweilig lesen sich dagegen diejenigen Passagen, in denen Costello Geschichten erzählt und damit auch ein Stück Zeitgeschichte vermittelt. Warmherzig und extrem viel schreibt er über den Vater Ross MacManus, der als Trompeter und vor allem als Sänger des Joe Loss Orchestras Anfang der 60er-Jahre den kleinen Sohn mit zu seinen Konzerten nahm, die allerneuesten Beatles-Scheiben zum Einstudieren nach Hause trug oder – Großereignis! – einen gemeinsamen Auftritt mit den Beatles vor der Königlichen Familie absolvierte, um dem Neunjährigen anschließend die Autogramme der vier Musiker mitzubringen. Der Sohn schneidet sie kurzerhand auseinander, damit sie in sein kleines Autogramm-Buch passen. Costello wurde 1954 als Declan Patrick MacManus in London geboren, wo er auch aufwuchs. Seine irischen Vorfahren väterlicherseits hatten zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein neues Zuhause im Nordwesten Englands gefunden – in Birkenhead nahe Liverpool. Ende der 60er-Jahre markierte der kurzzeitige Umzug des Teenagers in die Nähe der Beatles-Stadt eine Art Ankunft im Epizentrum der Beatlemania und erste eigene Song-Aktivitäten mit dem Folk-Duo Rusty. Nicht zufällig sind der Vater und die Beatles bzw. Paul McCartney die zentralen Figuren dieser Lebenserinnerungen.

Die Entstehungsgeschichte seiner Songs

Einen großen Platz nehmen auch die eigenen Songs ein. Ausführlich gibt Costello – wie er betont, immer mit Notizbuch unterwegs – Auskunft über ihre Entstehungsgeschichte: etwa nach dem Besuch des krisengeschüttelten Belfasts, bei dem er überforderte britische Jung-Soldaten auf Streife erlebte, woraus anschließend beim kurzen Rückflug nach London der größte Charts-Erfolg „Oliver's Army“ entstand.

Wenige und kaum schmeichelhafte Worte findet Elvis Costello für seine sechzehnjährige Ehe mit Cait O'Riordan, der Bassistin der Pogues, für die er auch als Produzent gearbeitet hatte. Eher beiläufig wird auch die früh geschlossene erste Ehe mit Costellos Jugendliebe behandelt. Sie sind Teil des großen Ganzen, denn neben der notorischen Treulosigkeit während langer Tourneen sind Skandale und Peinlichkeiten Ende der 70er/ Anfang der 80er Jahre (von den rassistischen Bemerkungen über Ray Charles bis hin zu diversen Alkohol-Exzessen) ohnehin an der Tagesordnung, Zitat Costello:

„Ich beschrieb diesen Prozess einmal damit, dass ich mir das Leben versaute, um dann dumme kleine Songs darüber zu schreiben und kann dieser Beschreibung hier nichts hinzufügen.“

„Elder Statesman“ des Pop

Die schwärmerisch kommentierte dritte Ehe 2003 mit Musikerkollegin Diana Krall hat diesen Prozess beendet. Es scheint, dass aus dem „angry young man“ ein zur Ruhe gekommener Familienvater kleiner Zwillingssöhne geworden ist. Vor allem aber – und das macht das Buch mit den zahlreich dokumentierten Lobeshymnen anderer Musiker überdeutlich – genießt Costello den Ruf als hochverehrter „Elder Statesman“ des Pop.

Auf der Drei-Minuten-Song-Strecke hat Costello immer wieder seine Qualitäten unter Beweis gestellt. Der 700-Seiten-Marathon zeigt einen Autor, der hin und wieder durch Langeweile und Eitelkeiten schwächelt. Dank seiner Leidenschaft und Intelligenz kommt er aber schließlich auch hier ins Ziel.

Elvis Costello: Unfaithful Music – Mein Leben
Übersetzt von Henning Dedekind, Henriette Heise, Hubert Mania
Berlin Verlag, 2015
784 Seiten, € 29,99

Tags: The AttractionsThe ImpostersUnfaithful Music – Mein LebenI Want To VanishThe River In ReverseThe ClashPaul McCartneyBurt BacharachAllen ToussaintQuestloveThe RootsRoss MacManusJoe Loss OrchestraThe BeatlesRustyPaul McCartneyOliver's ArmyCait O'RiordanThe PoguesRay CharlesDiana Krall

-

Deutschlandfunk Kultur, November 9, 2015


Olga Hochweis reviews Unfaithful Music – Mein Leben - the German language translation of Unfaithful Music & Disappearing Ink.

Images

2016-04-06 Arizona Daily Star photo 01 gk.jpg
Photo credit: picture alliance / dpa / Georgios Kefalas

-



Back to top

External links