Die Zeit, May 16, 2002

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Die Zeit

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Tonträger Nr. 2½002

Misstrauisch, forever; Viel Pedal, viel Lenor

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Konrad Heidkamp

Das war zu erwarten. Nach der Zusammenarbeit mit Burt Bacharach, dem Meister der elegant-süffigen Harmonien und dem Duett mit der klassischen Anne Sofie von Otter kehrt der Garant fürs Unerwartete zur reinen Lehre der Rockmusik zurück: Elvis Costello ist wieder bei sich. Das Korsett der Songform hatte er ohnehin nie verlassen, doch das letzte Album mit der unschlagbaren Kombination aus Schlagzeug, Bass und Gitarre liegt sechs Jahre zurück: All This Useless Beauty.

Es gibt keine Entwicklung in der Rockmusik, nur das Wetter ändert sich und damit die Kleidung, die man aus dem Schrank holt. Also steht er jetzt im engen Sakko mit der schmalen Krawatte des New Wave vor uns, mit dem Dreitagebart des Barden, mit dem Hut des Königs der Komiker. Kein Streichquartett, keine kunstvoll geschulte Stimme, kein samtener Bühnenvorhang, nur das vertraute Gefühl, mit jener Bitterkeit im Herzen. Ausreichender Grund, warum er vor 25 Jahren in einem Regal mit den Punks zu finden war.

Elvis Costello ist eine sichere Bank für Intelligenz, Wut und Rhythmusschläge tief im Bauch, und When I Was Cruel(Island 586 775, Vertrieb: Mercury) beginnt mit einem Song, der als Archetyp funktioniert: 45. Das Kriegsende '45, die Geschwindigkeit 45 der Single-Schallplatten neun Jahre später (als Costello als Declan MacManus geboren wurde), das Kaliber 45 - versuche nur, dein Leben in eine Ordnung zu bringen, es wird nichts nützen: "Every scratch, every click, every heartbeat / Every breath that I bless / I'd be lost, I confess / forty-five."

Hatte man früher gerätselt, aus welchen Popsongs Elvis Costello seine wunderbaren Puzzles zusammensetzte, überlegt man jetzt, welche Elvis-Costello-Songs er selbst beklaut. Da sind diese Doo-doo-doo-Stimmen, die swingenden Jamaica-Posaunenklagen, die Beatles-Vokalsätze und die Sturzbach-Gitarren, die scheppernde Twang-Bass-Guitar eines Duane Eddy. Natürlich steht er immer ein bisschen daneben, eine Verrückung um ein paar Zehntelsekunden, um klar zu machen, dass wir hier von Gefühlszitaten sprechen - selbst in den großen Balladen. Und so eingängig schöne gab es lange nicht: When I Was Cruel No. 2, das schwüle Tart, dazu das sezierende Alibi, die Schärfe und die Verletzlichkeit haben sich wiedergefunden.

Würde die CD nach 11 Titeln enden, hätten wir wieder meisterliches Blood And Chocolate. So aber verschwimmen die letzten vier Songs in Uneindeutigkeit. Das Misstrauen in seiner Stimme, das sich selbst über seine hoffnungsvollsten Melodien legt, beugt auch der leichten Enttäuschung gegen Schluss vor. Besser, sich im Pessimismus bestätigen lassen, als in offene Messer des musikalischen Glücks zu laufen.

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Die Zeit, May 16, 2002


Konrad Heidkamp reviews When I Was Cruel.


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