Dass Musiker einander nicht immer das freundlichste Gesicht zeigen, ist bestens verbürgt. Der britische Sänger und
Gitarrist Elvis Costello, im popmusikalischen Geschäft seit den siebziger Jahren zugange und seit den Achtzigern
dort eine feste Größe, erzählt in seiner Autobiographie eine ganze Reihe von kleinen Bosheiten aus dem
Kollegenkreis, die offenbar umso besser wirken, je beiläufiger sie ausgeteilt werden. So muss der junge Costello
einmal backstage dem ebenfalls anwesenden Robert Plant, der bekanntlich einige der alten Led-Zeppelin-Lieder nie
wieder singen wollte, im Vorbeilaufen nur hämisch "Stairway to Heaven" zugeraunt haben - angeblich wäre es fast
zu einer Prügelei gekommen.
Überhaupt spart Costello nicht mit Anekdoten, die ihn selbst in jungen Jahren als zynischen Provokateur zeichnen,
der sich lustvoll Autoritäten widersetzt und zugleich zur ebenso maßlosen Verehrung fähig ist - besonders schön ist
das Kurzporträt von Burt Bacharach. Auf die Musik bezogen, untermauert er nebenbei die Erfahrung, dass sich
diejenigen, die sich am stachligsten geben, die schönsten Liebeslieder schreiben.
Was Costello erzählt, ist oft kurios, bisweilen tieftraurig, wenn es um verpasste Chancen der Kommunikation mit
anderen Menschen geht, und oft genug steuert er offensichtlich auf Pointen zu, die allerdings nicht immer den
erzählerischen Aufwand rechtfertigen. Er schildert durchsoffene Nächte, dezente Sex- und Drogengeschichten, er
erzählt von Einsamkeit, von den unter Musikern offenbar besonders verhassten Playback-Auftritten, von
künstlerischen Impulsen in der Begegnung mit anderen Musikern, vor allem aber mit Schallplatten, die Costello, so
klingt es, manisch an sich zu bringen wusste und sie anschließend dutzendmal hörte, immer auf der Suche nach
einem Riff, einer Wendung, einer Harmoniefolge, die sich in die eigenen Lieder überführen ließe.
Wer sich also dieser Erzählerstimme anvertraut, der muss den Assoziationen eines Autors folgen, der kaum je zu
Beginn eines der Kapitel erahnen lässt, wohin die Geschichte steuert. Costello springt vor und zurück, was die
Zeiten angeht, einen Zusammenhang muss man sich oft genug erschließen, und was anfangs geradezu erfrischend
wirkt, strengt auf die Dauer an und erweist sich nach einer Weile als nicht unbedingt die zwingendste Form für das
Leben, von dem hier berichtet wird. Immerhin bettet Costello die eigene Person geschickt in die von Musik
bestimmte Familiengeschichte ein, und die Exkurse ins Leben der Eltern und Großeltern gehören zu den
erhellendsten des Bandes.
Insgesamt macht es das Buch seinen Lesern nicht besonders leicht, und das geht über Stil und Chronologie hinaus.
Angesichts der vielen Protagonisten auf den knapp achthundert Seiten des Bandes wäre ein Register hilfreich
gewesen. Und warum den zahlreichen eingestreuten Bildern keine Legende hinzugefügt wurde, damit man nicht
raten muss, wer oder was dort abgebildet ist, das bleibt das Geheimnis des Verlags.
Ein Buch für die Freunde von Costellos Musik also, die über Initialmomente einer ganzen Reihe von Liedern
aufgeklärt werden. Wahrscheinlich wäre mehr drin gewesen.
Elvis Costello: "Unfaithful Music - Mein Leben".
Aus dem Englischen von Henning Dedekind, Henriette Heise und Hubert Mania. Berlin Verlag, Berlin 2015. 784
S., Abb., geb., 29,99 [Euro].
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