Ja, so war’s damals in Greenwich Village. Patti Smith ist vorbeigekommen, um unsere Erinnerung aufzufrischen. Und auch Joan Baez hat es sich nicht nehmen lassen, die Sixties in ihrer ganzen Folk-Revival-Inbrunst noch einmal über die Bühne zu schicken. Aber der Dreieinhalbstundenmarathon in der Town Hall am Broadway war alles andere als eine selig verstaubte Oldiesshow. Es war ein Abend, wie er auch in New York nur sehr gelegentlich zu erleben ist.
Ein Abend, an dem der vielfach imposante Schauspieler John Goodman, mit Cowboyhut versehen, ans Mikrofon tänzelt und uns für den leider verhinderten Justin Timberlake einen Ersatzmann namens Elvis Costello ankündigt. Ein Abend, an dem Colin Meloy und seine Decemberists mit „Joe Hill“ für Proteststimmung so gut und folkrockig sorgen, dass Joan Baez aus den Kulissen schlendert und sich vokal miteinklinkt. Ein Abend, an dem Elvis Costello und Joan Baez sich altgewerkschaftlich zusammentun, um uns zu fragen: "Which Side Are You On?," und Patti Smith und Joan Baez im kampfeslustigen Zwiegesang versichern: „People Have the Power“. Es war ein Abend der Stars also, aber auch der cleveren Kids, die sonst in irgendeinem Indielager vor sich hin schrummen oder countryhaft experimentieren oder neojazzen.
Publicity für Inside Llewyn Davis
Wie das alles zusammenpassen sollte? Kein Problem – dafür waren die Coen Brothers zuständig. Ihr neuer Film Inside Llewyn Davis, der schon in Cannes und jetzt auch beim New York Film Festival Furore machte, erweckt die inzwischen legendäre Folkszene von Greenwich Village zum Leinwandleben, ganz und gar unwiderstehlich und mit viel Musik. „Please, Mr. Kennedy“ ist einer der Songs, die der Film nicht wieder aufwärmt, sondern dem fünfzig, sechzig Jahre alten Folkidiom nachempfunden hat. In der Town Hall gibt ihm Elvis Costello jetzt noch einen rockigen Dreh.
Das ist total in Ordnung, denn unter dem Titel Another Day, Another Time will das Konzert nicht nur Lust auf und Werbung für den Film von Ethan und Joel Coen machen. Unterstützt wird nebenbei mit einem Teil der Einnahmen des restlos ausverkauften Abends auch die von Washington begründete, naturgemäß mickrig finanzierte National Recording Preservation Foundation, deren Auftrag es ist, Audioschätze aus verwahrlosten Archiven zu bergen und zu sichern. Vor allem aber war das Konzert ein Konzert, ungeniert stilgrenzenlos und unermüdlich bejubelt, mit Künstlern, die Folk als Quelle verstehen, aus der die unterschiedlichste und immer wieder anders verstandene und aufbereitete Musik sprudelt.
So waren die vielen Cowboyhüte, die einst im Caffe Reggio oder in Gerde’s Folk City gewiss Seltenheitswert hatten, auch als Signale für eine Art Jam Session in alle nur erdenklichen alten und neuen Folk-, Country-, Bluegrass-, Jazz- und Rockrichtungen zu begreifen. Stars aus dem Film, allen voran der stimmbegabte und auch die Gitarre souverän bearbeitende Oscar Isaac, taten sich zusammen mit Musikern wie den sagenhaft multiversierten Punch Brothers oder dem Folkrocker Marcus Mumford, der auch Inside Llewyn Davis bespielte. Bei der ebenso cool gospelnden wie gälisch skandierenden Rhiannon Giddens und ihren Carolina Chocolate Drops hielt es das Publikum nicht mehr auf seinen Sitzen, und auch Lake Street Dive, ein supersmartes Quartett zwischen Folk, Pop und Jazz, wird der Auftritt in der Town Hall garantiert in ein neues Karrierestadium befördern.
Plugged und unplugged zog über die mit Perserteppichen apart ausgelegte Bühne eine Künstlerkarawane, die es fertigbrachte, dem Folk auch noch auf den spektakulärsten Umwegen die Treue zu halten. Klar, dass der Abend bald eine DVD zur Folge haben muss.
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