Frankfurter Rundschau, May 22, 2004

From The Elvis Costello Wiki
Jump to navigationJump to search
... Bibliography ...
727677787980818283
848586878889909192
939495969798990001
020304050607080910
111213141516171819
202122232425 26 27 28


Frankfurter Rundschau

Germany publications

Newspapers

Magazines

Online publications


-

Elvis Costello eröffnet die Ruhrtriennale-Saison 2004


translate
Udo Feist

Gute Ideen erschöpfen sich nie, was für den guten Song genauso gilt. Ob "Yesterday", "Chelsea Morning" oder "Heartbreak Hotel": allesamt Erinnerungsspeicher, zeitlose Momente, Gefühlsgalerien und Erste Hilfe, mit denen DJs schon Leben retteten. Der popular song, klassisch ein Dreiminüter, ist das Genre des Jahrhunderts der Massenkultur, das Triebabfuhr, Besinnung, Individualität und Essenz einzigartig vereint - und seit "Like A Rolling Stone" auch nicht mehr auf drei Minuten fixiert.

Insofern ist die Reihe "Century of Song" mit Exklusivkonzerten innerhalb der RuhrTriennale ein Versprechen, das schon vergangenes Jahr die Erstausgabe imposant hielt. Die aktuelle Staffel leitet wieder Jazzgitarrist Bill Frisell, der für seine Sensibilität gleich berühmt ist wie für seine Aufgeschlossenheit - von Noise-Projekten mit John Zorn bis zu einer Country-Platte. Beste Voraussetzungen für "Century of Song", zumal er mit sehr unterschiedlichen Musikern persönlich befreundet ist.

New Wave-Legende Elvis Costello, begnadeter Songwriter, Interpret und stilistisch ein so virtuoser Ikonoklast wie Frisell, hat die RuhrTriennale-Saison in Bochum eröffnet. Im vollen Haus waren neben TV-, Polit- und Sponsorenprominenz etliche Buddy- Holly-Brillen zu sehen, zu Beginn der Karriere des bald 50-Jährigen sein Markenzeichen - als das Anreisen zu den oft schmuddeligen Clubkonzerten von Costello & The Attractions noch abenteuerlich war. Doch auch die Alltime-Fans sind nun Leute von 40 und darüber, zwar noch schlank, aber ergraut und auf den Parkplätzen mit Volvo, Saab und Benz vertreten.

Songs in voller Wirkung

Den Songs kann der Wechsel aus den Hütten in den Songpalast allerdings nichts anhaben, wie Costello gelassen und ganz im "Century of Song"-Sinn zeigte. Er präsentierte kein wohlfeiles "Best of" seit 1977, als zwischen Punk-Biss und Wave-Understatement sein Debut My Aim Is True mit Sprachwitz und bitterer Ironie zur unverwechselbaren Soul-Pubstimme in das Bewusstsein einer ganzen Generation schoss, sondern 17 zumeist neuere Songs in Arrangements, die in den drei Tagen zuvor entstanden waren.

Ron Miles (Trompete), Jenny Scheinmann (Violine), Viktor Krauss (Bass) und Matt Chamberlain (Drums) - alle deutlich jünger als Costello und Frisell - passten sie genau. Die Band spielte kompakt, diszipliniert und virtuos.

Wie ein Studioensemble, dabei spaßbefeuert, teils dirigiert von Costellos Handzeichen oder einem Nicken Frisells, kammermusikalisch dicht, jazzig oder treibend wie das HiHo eines Rockzugs in Interpretationen, die trotz zunächst tagheller Halle eine zeitvergessene Atmosphäre zwischen Jazzbar und psychedelischem Desert-Honkytonk schufen.

Songs in voller Wirkung, mächtig auf schlichter Bühne, die ihnen allen Platz ließ. Costello brachte neben Titeln seiner letzten, Jazzballaden-geprägten Platte North ("You Turned To Me" oder "Someone Took The Words Away") viele Songs, die er und Frisell schon 1995 beim Londoner Meltdown-Festival für Deep Dead Blue aufnahmen, darunter "Gigi", zu dem Crooner Costello bis ins Schmalzige brilliert, und "Poor Napoleon".

Statements für den Augenblick

Frisell serviert dazu ein Rockgitarrensolo, das zwar kräftig zitiert, aber nie parodiert. Tief in den Blues sinken beide mit "Weird Nigthmare", einem Charles-Mingus-Song. Von Painted From Memory, das Costello mit Burt "Easy Listening" Bacharach aufnahm, spielte er den Titelsong und "Toledo". "Alt" war nur die letzte Zugabe, "Almost Blue" von der 82er-Platte Imperial Bedroom, als Jazzstandard arrangiert, frisch wie gerade geschrieben.

Keine Zeitreise, sondern Statements für den Augenblick, hier und aktuell zu füllen. Das machte der Galaabend leicht, wobei Costello den explodierenden Blues "Steel Time" dem Industrieambiente zu widmen schien, vielleicht aber nur sagen wollte, dass es mit Songs immer irgendwie weiter und doch zeitlos zugeht, denn "Steel Time" ist von der Platte, an der er gerade am Mississippi arbeitet.

Sind sie demnach nur wirkmächtige Illusionen? Eine Frage, die man nicht stellt, wenn Worte, Musik und Stimme einen Sound formen, als habe Dylan mit Muddy Waters und Costello sein "Bringin' It All Back Home" neu eingespielt.

Wiedererkennen? Neu erleben schon eher, was bis Juli auch Rickie Lee Jones, Vic Chesnutt, Ron Sexsmith, Jesse Harris und Petra Haden ansteuern - im "Century of Song" mit Bill Frisell & Friends. Erleichterung auf höchstem Niveau.


Tags: Like A Rolling StoneThe AttractionsBill FrisellBuddy HollyMy Aim Is TrueRon MilesJenny ScheinmannViktor KraussMatt Chamberlain NorthYou Turned To MeSomeone Took The Words AwayMeltdown FestivalDeep Dead BlueGigiPoor NapoleonWeird NightmareCharles MingusPainted From MemoryBurt BacharachToledoAlmost BlueImperial BedroomMuddy WatersVic ChesnuttRon Sexsmith

-

Frankfurter Rundschau, May 22, 2004


Udo Feist reviews Elvis Costello with Bill Frisell and his band on Friday, May 21, 2004, Jarhdunderthalle, Bochum, Germany.


-



Back to top

External links