Rhein Neckar Zeitung, October 15, 2014

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Elvis Costello in Concert: Der Geisterbeschwörer


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   Alexander R. Wenisch

Als wolle er den Soundtrack zu True Detective spielen: Elvis Costello in Mainz. und davor gab es die grandiose Vorband Larkin Poe

Manchmal hat man vor Konzerten Angst. Auch als Zuschauer. Vor dem aktuellen Elvis Costello-Auftritt zum Beispiel. Schließlich hat der Brite mit Wise Up Ghost vergangenes Jahr ein Album vorgelegt, das — mit der Hip-Hop-Formation The Roots aufgenommen — sagen wir: gewöhnungsbedürftig war.

Glücklicherweise aber hat Costello die Geistergeschichten daheim gelassen. Stattdessen ein Parforceritt quer durch die Karriere des 60-jährigen Declan Patrick MacManus. Er alleine auf der Bühne. Der Tee auf der Box dampft, die fünf Gibson-Sammlerstücke glänzen im Scheinwerferlicht.

Zum Aufwärmen in der ziemlich zugigen Mainzer Phönix-Halle gibt Costello den Song "45". Da steht die Hälfte des Publikums zwar noch draußen bei Bier und Brezeln. Doch spätestens als Costello kurz darauf zur blonden Jazz-Gitarre greift, wird klar: Das wird ein besonderer Abend.

Das Unvorhergesehene regiert. Costello hat ein Loop-Gerät angeschlossen. Damit kann er seine Gitarre aufnehmen, die Melodie wiedergeben, Neues draufpacken, einblenden, ausblenden — und über die so entstandene Klangcollage am Ende frisch spielen und singen. Es entstehen ganz eigenwillige Momentaufnahmen — und Costello freut sich sichtlich, weil ihm einige davon im Laufe des Abends richtig gut gelingen.

Manchmal klingt er, als wolle er den Soundtrack zur düsteren Krimiserie True Detective liefern. Erdig, tief im Mississippi-Delta. Wie Geisterbeschwörer in Louisiana.

Er lotet die Extreme aus. MacManus ist einer der großen Singer-Songwriter der Gegenwart. Ende der 70er-Jahre war er der intellektuelle Angry Young Punk mit seiner Band The Attractions. Aber Costello kann alles: Rock 'n' Roll, Funk, Blues. Er kann Jazz, Streichquartett und Piano-Ballade. Trotz der Vielseitigkeit bleibt seine musikalische Handschrift markant.

Aber Costello ist auch ein rechter Kauz. Den Panamahut zum Anzug ist man gewohnt. Auch wenn der ziemlich unpraktisch ist, weil er vom Kopf zu segeln droht, immer wenn Costello die Gitarre wechselt und den Schultergurt über den Kopf zieht — also praktisch nach jedem Song. Dazu kaut er unablässig Kaugummi und erzählt skurrile Geschichten aus seinem Familienleben. Von seiner Frau zum Beispiel, der Jazz-Musikerin Diana Krall, die, während er hier auf der Bühne steht, wahrscheinlich daheim in New York sitze und mit ihrem siebenjährigen Sohn Brandy kippe.

Das ist Quatsch, macht aber Spaß. An den Sechssaitern nimmt er seine Sache dagegen ernst. Jeder Konzertabend soll anders verlaufen, erst kurz vor dem Auftritt entscheidet Costello, was er heute spielt. So das Konzept. Und so kann er spontan reagieren. Als im Publikum eine Bierflasche umkippt und klirrend über den Boden rollt, philosophiert er über dieses wunderbare Geräusch — und spielt dann "Tonight The Bottle Let Me Down," ein Country-Klassiker von Merle Haggard.

Seinem 1980er-Song "New Amsterdam" mischt er die Beatles-Klassiker "Norwegian Wood" und "You've Got to Hide Your Love Away" unter — eine kurze Verneigung. Drei Songs zuvor hatte er bereits "Veronica" im Programm, das Ende der 80er in der eher schwierigen Kollaboration mit Paul McCartney entstanden war.

Es gibt einige solcher magischen Momente. "Almost Blue" wird dramatisch, bei "King Of America" darf's auch mal richtig scheppern. Während einer seiner experimentellen Songcollagen hantiert Costello mit einem Megafon und "Alison" wiederum singt er ganz ohne elektronische Verstärkung in den Saal.

Die größte Überraschung aber ist Costellos Vorband "Larkin Poe." Rebecca und Megan Lovell aus Atlanta spielen amerikanischen Roots-Rock. Die eine hauptsächlich an der Mandoline, die andere an der Lapsteal-Gitarre. Schon die 45 Minuten zum Anheizen waren der Hammer. In der zweiten Hälfte seiner "Solo-Show" holt Costello die jungen Musikerinnen — 25 und 23 Jahre alt — mit auf die Bühne.

Und bei den dreien stimmt die Chemie. Nicht nur, dass sie musikalisch toll harmonieren — die klaren Stimmen der Mädchen setzen einen spannungsreichen Gegenpol zu Costellos gebrochenem Genuschel. Auch scheint sich der Ältere zwischen dem hübschen Duo sichtlich wohl zu fühlen. Man hat den Eindruck, die drei wollen gar nicht mehr runter von der Bühne. Zusammen spielen sie die stärksten Songs des Abends, "Blame It On Cain," "Six Months In Kansas City" und "Brilliant Mistake."

34 Songs an einem Abend. Beseelt, gereinigt stolpern wir aus der Halle. Es ist halb 12. Kurz vor der Geisterstunde. Doch die Angst vor dem Wise Up Ghost — längst vertrieben.

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Rhein Neckar Zeitung, October 15, 2014


Alexander R. Wenisch reviews Elvis Costello, solo and with Larkin Poe, Sunday, October 12, 2014, Phoenix-Halle, Mainz, Germany.

Images

2012 Icheon, South Korea photo by Jeon Heon-Kyuno
2012 photo by Jeon Heon-Kyuno.

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