Roskilde '86 bot — abgesehen von dem, was man von Großrockveran-staltungen kennt, also deprimierende Mengen an Alkoholleichen, ekligem Wetter, schlechtem Essen und viel zu viele Menschen; abgesehen davon, daß Mr. Strzoda das spaßig findet und zum drittenmal da war, Mr. Nieswandt zum erstenmal da war und skeptisch blieb, ungeachtet also der ganzen strangen folks — in erster Linie die Verjüngung einer Legende, die Beerdigung einer anderen, eine groteske Großdusche mit Musik und einem kanadischen Sonnenaufgang, mit dem nicht gerechnet worden war.
Elvis Costello als zweiter Headliner des Eröffnungsabends (hinter BAP) sah exakt wie vor zehn Jahren aus, original mit der witzigen Horn-brille, und wow! er wußte wie zu rocken. Tatsächlich gab es vor der Bühne ernsthafte Brillen-probleme. Von Ordnern ge-reichte Erfrischungen lande-ten in verschwitzten Gesichtern; hünenhafte Dänen ohne was an hängten sich über unsere Schultern, brüllten uns zu: "Elvis is king!"; allgemeine Verbrüderung überall, wir mittendrin, oha, welch ein Geschubse, aber Costello unbeirrt; heikel fast, wie er ständig das Tempo forcierte. So blieb "Alison" der bewegendste Moment, "Oliver's Army" der mitgegröhlteste und "What's so funny 'bout Peace, Love & Understanding" der versöhnliche, aber heftige Schlußpunkt. Es war ein großes, ein legendäres Schauspiel.
Was für Costello noch möglich ist, nämlich in einem großen, grünen Zelt zu spielen, kommt für einen wie Eric Clapton (oder BAP) nicht in Frage. So einer spielt auf einer großen, orangenen Bühne, wo die Zuschauer im Freien bleiben. Hatten noch nie so einen berühmten Musiker in echt gesehen; die Rede ist von Phil Collins, der in Claptons Band Schlagzeug spielte. Der Auftritt an sich war irrsinnig blöde. Nicht so wir. Wir zu The Men They Couldn't Hang. Großartig. Ganz toll. Also nee. Starkes Stück. Schnafte Typen. So gingen wir pofen.
Das offizielle Ereignis des Samstags waren Madness. Völlig zu recht, denn sie boten gediegene, unterhaltsame Regensolidarität, denn 50 000 Menschen nahmen eine kollektive Dusche, denn, oh, wie wir uns fühlten, denn, oh, wie zum Kotzen, dann war der Auftritt aus. Wie schade.
Das persönlichste, anrührendste, wärmste Erlebnis waren Kate & Anna McGarrigle im intimen blauen Zelt. Na, so was Schönes. Anundfürsich sind sie dem SPEX-Leser wohl kein Begriff, aber, wollnmasagn, dös mökt nix, dö ruchn wir zusömn äin Zigäretn un sägn hallo hallo hallo. Wir trafen sie nach dem Konzert, hörten von ihren Kindern und Männern, und wissen nun um den speziellen Charme kanadischer Mütter, deren hehre Harmonien und wunderbare Weisen unsere Herzen weiteten und Liebe hineintrugen. Wir verabschiedeten uns singend.
Nun, das waren die Ereignisse, für die es sich lohnte, seine Gesundheit zu ruinieren. Was noch passierte: Feargal Sharkey, Watermelon Men, Lloyd Cole, knietiefer Modder, Waterboys, Billy Bragg, Zelt geklaut, Red Guitars, abbauen gespart, Dream Syndicate als Cult-Ersatz, Dauerregen, Blue in Heaven, Nomads, Big Country. Und als nette kleine Überraschung am frühen Samstagmittag Claw Boys Claw, Gun Club-mäßige Holländer mit völlig ausgefreaktem Sänger. Haarsträubendes Wochenende. Far out,
man.
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