Stern, June 6, 2006

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Elvis Costello

"Sie ist bärenstark, wenn sie wütend ist"

Elvis Costello hat nicht nur eine vitale Musikerin als Frau, er hat schon mit allen Größen der Branche zusammengearbeitet. Gerade hat er ein neues Album mit Allen Toussaint eingespielt. Im stern.de-Interview spricht über sein Engagement in New Orleans nach Katrina, Diana Krall und Fußball.

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Thomas Soltau

Musikalische Grenzen gibt es für Elvis Costello nicht. Der Brite brilliert in etlichen Stilrichtungen und hat mit Größen wie Paul McCartney, Johnny Cash oder Burt Bacharach zusammengearbeitet. Nun gesellt sich eine weitere Legende dazu: Mit dem Rhythm & Blues-Songwriter Allen Touissant hat Costello das Album "The River In Reverse" (Universal) eingespielt. Die Klassiker und Eigenkompositionen, gesungen von Costello, arrangiert und begleitet von Toussaints Band, pendeln zwischen 60’s R’n’B und groovigem Delta-Soul und sind den Opfern von Wirbelsturm Katrina gewidmet.

Herr Costello, Sie haben eine Ballettsuite komponiert, spielen mit renommierten Orchestern und treten mit ihrer Rockband auf. Gibt es irgendetwas, das Sie nicht können?

Oh ja, ich bin ein verdammt schlechter Tänzer. Höchstens bei Hochzeiten und unter Androhung von Gewalt gehe ich aufs Parkett. Aber im Ernst: Ich bin nicht Beethoven und bekomme viel Unterstützung beim komponieren von klassischem Material. "Il Sogno" wurde für eine Ballettaufführung von Shakespeares "Sommernachtstraum" entworfen. Sowohl das London Symphony Orchestra und Dirigent Michael Tilson Thomas hatten sehr viel Einsicht mit mir. Ansonsten gibt es so viele interessante musikalische Richtungen, da bleibt für mich noch jede Menge zu entdecken.

Das neue Album "The River In Reverse" haben Sie zusammen mit Allen Toussiant in New Orleans aufgenommen. Wie war das Gefühl als eine der ersten nach der Flutkatastrophe dort zu arbeiten?

Nach der schrecklichen Flutkatastrophe musste ich erstmal wissen, ob Allen etwas zugestoßen ist: Glücklicherweise befand er sich in New York, hatte aber sein Haus in New Orleans verloren. Am Anfang war nicht daran zu denken, dort zu arbeiten. Das ging mit den ausgebuchten Hotels los, in denen nur obdachlose Menschen untergebracht waren. Immerhin veränderte sich die Situation beim Wiederaufbau relativ rasch. Im Dezember konnten wir dann - nachdem wir schon in Los Angeles einen Teil eingespielt hatten - endlich für eine Woche in New Orleans aufnehmen. Ein sehr emotionaler Moment, denn Allen sah zum ersten Mal seine zerstörte Heimat.

Wie kam es überhaupt zur Zusammenarbeit mit Allen Toussaint, dessen Songs unter anderen von Bo Diddley gecovert wurden?

Ich kannte seine Songs wie "Fortune Teller" schon als junger Musiker, ohne allerdings zu wissen, dass er der Komponist war. Allen Toussaint hat als Songwriter und Produzent entscheidend den R&B-Sound der 60er und 70er Jahre geprägt und wurde von den Neville Brothers und Paul Simon für ihre erfolgreichsten Alben verpflichtet. Außerdem hat er die "Meters" produziert und immer so einen eigenen, unverwechselbaren Sound kreiert. Ich war einfach ein Fan. Auf meinem Album "Spike" von 1989 habe ich dann mit ihm zusammen an dem Song "Deep Dark Truthful Mirror" gearbeitet. Der Hurrikan Katrina brachte uns 2005 wieder zusammen. Wir traten nur wenige Tage nach der Katastrophe gemeinsam auf und dabei reifte ganz schnell die Idee eines Albums.

Der Wiederaufbau von New Orleans ist nach einem dreiviertel Jahr immer noch nicht abgeschlossen. Denken Sie, dass die Stadt wieder zur alten Lebendigkeit findet?

Wenn man sich New Orleans jetzt anschaut, kann man nicht wirklich daran glauben. Letztlich besitzt die Stadt eine Geschichte und Kultur, die der Hurrikan teilweise weggefegt hat. Umgefallene Häuser, Müll, kaputte Autos - gerade in den ärmeren Stadtteilen sieht es aus wie in einer Geisterstadt. Es gibt aber auch viel Hoffnung, denn mehr Menschen als erwartet, kehren zurück. Leider wird kein Geld von den Behörden investiert. Und Bewohner, die tatsächlich von ihrer Versicherung Entschädigungen erhalten, bauen ihre Häuser aus Furcht vor neuen Fluten im Landesinneren auf. Die Wut auf die Verantwortlichen, aber auch die Hoffnung auf die Rückkehr der alten Vitalität, haben wir versucht musikalisch zu verarbeiten. Immerhin machen sich die Einwohner auf T-Shirts bereits lustig über den Hurrikan: Die Aufschrift "Katrina gave me a blow job I'll never forget" beweist: den bodenständigen Humor werden die Menschen hier nie verlieren.

Sie sind verheiratet mit der Jazzsängerin Diana Krall. Kritisieren sie ihre Arbeiten gegenseitig, oder ist der Hausfrieden wichtiger?

In erster Linie kritisieren wir uns selbst. Schließlich haben wir auch einen sehr unterschiedlichen musikalischen Geschmack. Deshalb wäre eine Kritik in manchen Situationen ohne jegliches Fundament. Wir unterstützen uns lieber in allen Dingen, als ständig rumzunörgeln. Vielleicht hat das auch etwas mit häuslicher Ruhe zu tun. Auf jeden Fall möchte ich mich bei einem Streit mit Diana nicht verletzen: Sie ist bärenstark, wenn sie wütend ist.

Wie verbringen zwei Musiker, die ständig auf Tour sind, die rare Freizeit?

Wichtig ist, dass wir uns nicht aus den Augen verlieren. Länger als drei Wochen sind wir kaum getrennt - diese persönliche Regel gilt für uns. Das gelingt uns ganz gut, weil wir ein gemeinsames Management haben. Auf der anderen Seite erleben Diana und ich durch die Trennungen unsere gemeinsame Zeit umso intensiver. Die verbringen wir dann mit Freunden, gutem Essen und viel Musik: Sie sehen es geht bei uns völlig unglamourös, manchmal sogar spießig zu.

Eine Frage zur Fußball-WM ist unvermeidbar. Welches Team wird Weltmeister? Und wie stehen die Chancen für England?

Ich habe mich nie so richtig für Nationalmannschaften interessiert, mein Verein ist der FC Liverpool. Bei England hasse ich besonders die nationalistischen Symbole der Fans, etwa das St. Georges Kreuz auf Fahnen. Zudem gibt es in der Fanszene zu viele rechtsgesinnte Personen. Ich bevorzuge die Romantik im Fußball. Also hoffe ich auf tolle Spiele der Außenseiter. Bei der WM 1990 gab es diesen magischen Moment mit Irland. Ich war dort in meinem Haus, und die irischen Nobodys zogen überraschend ins Viertelfinale ein. Das war eine Euphorie, die das gesamte Land erfasst hat. Und sollte Trinidad/Tobago diesmal Weltmeister werden, dann hat sich eben die Mannschaft mit dem besten Teamgeist durchgesetzt.

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Stern, June 6, 2006


Thomas Soltau interviews Elvis Costello about The River In Reverse.

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Im April 2006 spielte Elvis Costello zusammen mit Allan Toussaint auf dem "New Orleans Jazz and Heritage Festival" zugunsten der Opfer von Katrina
© Lee Celano/Reuters

Elvis Costello, der rastlose Grenzgänger, hat über die Jahre ein Gespür für ungewöhnliche musikalische Kollaborationen entwickelt. An der Seite von Allen Toussaint spielt der Brite entspannten Delta-Soul: Das macht Spaß und zeigt, das Costello einer der wichtigsten und innovativsten Musiker unserer Zeit ist.
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