Vienna Standard, May 21, 2008

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Der zweite wahre Elvis: Momofuku


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   Karl Fluch

Elvis Costello schiebt den Rolls aus der Garage und quartiert seine Band dort ein: Das Album dampft wie ein Gehsteig in New Orleans nach einem Sommerregen

Ein bisschen Zeit braucht jedes Elvis-Costello-Album. Schließlich muss man sich an diese Stimme immer wieder erst von neuem gewöhnen. Führt sie doch deutlich eine der wesentlichen Errungenschaften von Punk vor. Nämlich dass jeder singen darf — egal, wie ausgeprägt ein eventuell vorhandenes Talent tatsächlich ist. Sogar ein Typ wie Declan Patrick MacManus, der zwecks Erhöhung seiner Glaubwürdigkeit Omas Nachnamen und den Vornamen des Königs aus Tupelo annahm, sich also Elvis Costello nannte und nach kurzen Karrieren als Bürohengst und Computerprogrammierer in den mittleren 70ern die erste Welle des Insel-Punk nahm, um in Folge zu einem der originellsten Vertreter des (Post-)Punk sowie der ihr folgenden New Wave aufzusteigen. Mit einer Stimme, die bei aller im Laufe vieler Jahre und Alben aufgebauten Vertrautheit immer noch eigen, ja, gewöhnungsbedürftig ist. Als solche ist sie längst eine Trademark geworden, nichts weniger. Ebenso wie die seit Beginn seiner Karriere — während der er nicht selten als singender Woody Allen besprochen wurde — getragene Hornbrille.

Diese konnte man auch als intellektuelles Indiz deuten, das sich zumindest insofern bewahrheitete, als dass Mr. Costello im Laufe seiner über 30 Jahre dauernden Karriere kaum eine Seitengasse des Pop nicht gegangen wäre. "Warning: This album contains Country & Western Music and may cause offence to narrow minded listeners" ließ er etwa in den frühen 80ern auf einem Sticker am Cover seines Albums Almost Blue (1981) verkünden. Beim ersten großen Weltverbesserungsauftrieb, dem Live-Aid-Konzert 1985, blieb seine solo auf der Gitarre vorgetragene Beatles-Coverversion von "All You Need Is Love" als eines der wenigen Statements unter vielen dauerhaft im Gedächtnis, und seine Liebe zu Soul-Musik, die er mit seinem beschleunigten, bläsergestützten Pop der Attractions, eine seiner vielen Begleitbands, zusammenführte, zeitigte mehr als nur eine Großtat — auch wenn hier jetzt nur Punch The Clock (1983) stellvertretend genannt werden soll.

Costello gelang es zudem als einem der wenigen seiner Generation, früh auch in den USA ansehnliche Erfolge zu feiern — etwas, das bis heute nachwirkt. Nach diversen Alben mäßiger Güte — wie etwa einer Kollaboration mit dem Gott der (vermeintlich) leichten Muße, Burt Bacharach, oder mit seiner dritten Frau, der Soft-Jazzerin Diana Krall, hat er spätestens mit dem Album When I Was Cruel (2002) wieder zu einer neuen Direkt- und Rohheit gefunden, die drei Jahre später im Album The Delivery Man gipfelte, einem seelenvollen, von der Wucht des Blues und des frühen Rock 'n' Roll durchzogenen Spätwerk. Nach einer nicht ganz so tollen Zusammenarbeit mit dem New-Orleans-Soul-Großmeister Allen Toussaint veröffentlichte der heute 53-Jährige — wieder mit den grandiosen Imposters als Begleitcombo — das umwerfende Album Momofuku.

Dieses hat Feinspitz Costello zuerst als Doppelalbum nur in der Vinylversion veröffentlichen lassen, erst dann folgten Silberling und durchsichtige Files. Der Energielevel des Albums ist beachtlich: Costello eröffnete mit "No Hiding Place" und — sorry, klingt ein bisserl deppert — rockt wie ein Irrer. Natürlich nicht ohne den Song von einem fetten Groove abfedern zu lassen, der diese neue alte Virilität umso nachdrücklicher erscheinen lässt: Holy Sh..!!! Es folgt "American Gangster Time," bei dem er die Geschwindigkeit noch weiter anzieht, die Gitarre auf Garage stimmt und eine fantastisch dampfende und geil eiernde Schweineorgel aus dem Hause Vox ziemlich weit nach vorn mischt. Selbst Balladen wie "Harry Worth" sind noch mit erstaunlichem Nachdruck und der unterschwelligen Angriffslust des Blues gespielt. Als Gäste schauen Rilo Kileys Jenny Lewis sowie David Hidalgo von den Los Lobos vorbei, der die Fender Telecaster bearbeitet oder süßen Schmelz mit der Viola besorgt. Dazwischen streut Elvis halbakustische Perlen ein, von der beständig unter Strom stehenden Orgel scharf befeuert. Weitere Höhepunkte sind das anrührende "Flutter & Wow" oder das wieder satt dampfende "Stella Hurt." Ein Album des Jahres.


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Der Standard, May 21, 2008


Karl Fluch reviews Momofuku.

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Momofuku

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