Rolling Stone Germany, June 2002: Difference between revisions

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<center><h3> Tonträger </h3></center>
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<center>'''Nach Expeditionen auf Seitenpfaden triumphiert Costello <br> mit altbösen Songs </center>
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'''Nach Expeditionen auf Seitenpfaden triumphiert Costello mit altbösen Songs
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Einem neuerdings populären Missverständnis zufolge modernisiert Elvis Costello seine Musik, um mit Destiny's Child und Missy Elliott mithalten zu können. Das wäre ungefähr so, als würde Michelangelo an Mickey Mouse arbeiten. Netter Versuch, Opa, meint der Typ vom britischen Vorruheständler-Journal ''Uncut'' — aber die Kinder wenden sich gleich wieder Timbaland und ihrer Konsole zu.
Sollen sie doch! sage ich dazu. Costello braucht keine Halbwüchsigen — die verstehen gar nicht, was er meint. Und abtrünnige Musikjournalisten, die von "R&B" stammeln und heimlich noch immer ''Armed Forces'' auflegen, schon gleich dreimal nicht. Costello hören ist wie Atmen. Meinetwegen uncool — dann ist Atmen eben uncool.
Bis in die späten 80er Jahre hat die so genannte Pop-Kritik Platten und Songs besprochen, und keine Platten und Songs eigneten sich besser dazu als die von Costello. Spätestens mit den ''Juliet Letters'' hörte das auf. Von nun an ging es nur noch um Äußerlicheiten, jetzt war Elvis von gestern. Macht in Klassik, macht in Romantik, macht in Bratsche, macht in Oper, macht in Bacharach, verlässt die Plattenfirma, duettiert mit Gott und der Welt, hat Gastauftritte in Fernsehserien, gibt den Clown in ''Spice World'' und ''Austin Powers'', singt für ''Notting Hill'', tributiert in der Hall Of Fame, schreibt körbeweise Lieder für fremde Menschen, die sie gar nicht haben wollen, spielt Jazz, trägt Hüte, erobert die Deutsche Grammophon, bewundert Mezzosopranistinnen, stellt einen musikalischen Kanon zusammen wie sonst nur Reich-Ranidd in der Literatur. Er ist selbst schuld. Aber weshalb liest man keinen vernünftigen Satz mehr über sein Schaffen? Bei King Of America "ging es doch noch. Ist die gesamte Kritik mit dem Publikum verblödet? Das Studentenblatt ''Spex'' informiert uns darüber, Costello arbeite in "Zyklen" und mit "balancierenden Samples." Gipfel der Komik ist die Erkenntnis eines Zehn-Euro-Rezensenten, die Songs auf ''When 1 Was Cruel'' seien "zu lang." Balancierter Schwachsinn.
Je länger, desto besser! Das schleichende "Spooky Girlfriend", der Brecher "Tear Off Your Own Head" im Attractions-Stil, das sinister zerdehnte "When I Was Cruel No. 2", "15 Petals" mit wild trötenden Bläsern, die olympische Ballade "Tart": absolut bester Costello und der beste seit ''Blood & Chocolate'' sowieso. Und wie diese Platte klingt! Vier Leute produzierten sie unter Costellos altem moniker The Imposter, und die erwarteten Mitchell Froom und Tchad Blake waren nicht dabei. Ach, es ist doch eine Attractions-Platte, mit Steve Nieve an den Keyboards und Pete Thomas unverkennbar am Schlagzeug. Nur der böse Bruce ist nicht dabei. Sicher, ein "Rhythm Processor" erscheint plötzlich unter den Instrumenten, aber das ist fast der einzige Tribut an moderne Zeiten. Ansonsten rumpelt und kracht es allerliebst, Harmonika und Melodika kommen zum Einsatz, Vibraphon und Flügelhorn. Kann sein, dass Costello sich das Modell Tom Waits angeschaut hat: Klassische Songs und ein Arsenal von altertümlichen, skurrilen Instrumenten ergeben unschlagbare Arrangements.
Neben schönem Krach und Krawall gibt es selbstverständlich große Costello-Songs und waghalsige Gesangsdarbietungen: In "Alibi" blutet Elvis, quengelt ''"I love you just as much as I hate your guts"''; in "45" setzt er den Zweiten Weltkrieg, die Single, das Kaliber und das Lebensalter des Songschreibers in eins, und in dem stupenden "Episode Of Blonde" bellt und spuckt er Textlawinen, eine Variante von "Subterranean Homesick Blues" und genauso zwingend. Natürlich benutzt er wieder zu viele Worte, und das auch noch gleichzeitig. Keine Ahnung, worum es geht. Aber ich frag mal einen Musikjournalisten.
''When I Was Cruel'' ist eine Wundertüte und ein Weltempfänger. Durch diese Lieder hört man Costellos und die eigene Geschichte und ahnt, dass Elvis als alter Mann in Blackpool die Bingospieler anpöbeln wird. Aber noch ist es nicht so weit.


Jeder Elvis hat seine Armee. Und die Schlacht geht weiter, Freunde.


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   Arne Willander

Nach Expeditionen auf Seitenpfaden triumphiert Costello mit altbösen Songs

Einem neuerdings populären Missverständnis zufolge modernisiert Elvis Costello seine Musik, um mit Destiny's Child und Missy Elliott mithalten zu können. Das wäre ungefähr so, als würde Michelangelo an Mickey Mouse arbeiten. Netter Versuch, Opa, meint der Typ vom britischen Vorruheständler-Journal Uncut — aber die Kinder wenden sich gleich wieder Timbaland und ihrer Konsole zu.

Sollen sie doch! sage ich dazu. Costello braucht keine Halbwüchsigen — die verstehen gar nicht, was er meint. Und abtrünnige Musikjournalisten, die von "R&B" stammeln und heimlich noch immer Armed Forces auflegen, schon gleich dreimal nicht. Costello hören ist wie Atmen. Meinetwegen uncool — dann ist Atmen eben uncool.

Bis in die späten 80er Jahre hat die so genannte Pop-Kritik Platten und Songs besprochen, und keine Platten und Songs eigneten sich besser dazu als die von Costello. Spätestens mit den Juliet Letters hörte das auf. Von nun an ging es nur noch um Äußerlicheiten, jetzt war Elvis von gestern. Macht in Klassik, macht in Romantik, macht in Bratsche, macht in Oper, macht in Bacharach, verlässt die Plattenfirma, duettiert mit Gott und der Welt, hat Gastauftritte in Fernsehserien, gibt den Clown in Spice World und Austin Powers, singt für Notting Hill, tributiert in der Hall Of Fame, schreibt körbeweise Lieder für fremde Menschen, die sie gar nicht haben wollen, spielt Jazz, trägt Hüte, erobert die Deutsche Grammophon, bewundert Mezzosopranistinnen, stellt einen musikalischen Kanon zusammen wie sonst nur Reich-Ranidd in der Literatur. Er ist selbst schuld. Aber weshalb liest man keinen vernünftigen Satz mehr über sein Schaffen? Bei King Of America "ging es doch noch. Ist die gesamte Kritik mit dem Publikum verblödet? Das Studentenblatt Spex informiert uns darüber, Costello arbeite in "Zyklen" und mit "balancierenden Samples." Gipfel der Komik ist die Erkenntnis eines Zehn-Euro-Rezensenten, die Songs auf When 1 Was Cruel seien "zu lang." Balancierter Schwachsinn.

Je länger, desto besser! Das schleichende "Spooky Girlfriend", der Brecher "Tear Off Your Own Head" im Attractions-Stil, das sinister zerdehnte "When I Was Cruel No. 2", "15 Petals" mit wild trötenden Bläsern, die olympische Ballade "Tart": absolut bester Costello und der beste seit Blood & Chocolate sowieso. Und wie diese Platte klingt! Vier Leute produzierten sie unter Costellos altem moniker The Imposter, und die erwarteten Mitchell Froom und Tchad Blake waren nicht dabei. Ach, es ist doch eine Attractions-Platte, mit Steve Nieve an den Keyboards und Pete Thomas unverkennbar am Schlagzeug. Nur der böse Bruce ist nicht dabei. Sicher, ein "Rhythm Processor" erscheint plötzlich unter den Instrumenten, aber das ist fast der einzige Tribut an moderne Zeiten. Ansonsten rumpelt und kracht es allerliebst, Harmonika und Melodika kommen zum Einsatz, Vibraphon und Flügelhorn. Kann sein, dass Costello sich das Modell Tom Waits angeschaut hat: Klassische Songs und ein Arsenal von altertümlichen, skurrilen Instrumenten ergeben unschlagbare Arrangements.

Neben schönem Krach und Krawall gibt es selbstverständlich große Costello-Songs und waghalsige Gesangsdarbietungen: In "Alibi" blutet Elvis, quengelt "I love you just as much as I hate your guts"; in "45" setzt er den Zweiten Weltkrieg, die Single, das Kaliber und das Lebensalter des Songschreibers in eins, und in dem stupenden "Episode Of Blonde" bellt und spuckt er Textlawinen, eine Variante von "Subterranean Homesick Blues" und genauso zwingend. Natürlich benutzt er wieder zu viele Worte, und das auch noch gleichzeitig. Keine Ahnung, worum es geht. Aber ich frag mal einen Musikjournalisten.

When I Was Cruel ist eine Wundertüte und ein Weltempfänger. Durch diese Lieder hört man Costellos und die eigene Geschichte und ahnt, dass Elvis als alter Mann in Blackpool die Bingospieler anpöbeln wird. Aber noch ist es nicht so weit.

Jeder Elvis hat seine Armee. Und die Schlacht geht weiter, Freunde.

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