Für Elvis Costello waren die neunziger Jahre ein Hürdenlauf mit Hindernissen, die er sich selbst in den Weg stellte. Auf CDs mit seiner gewohnten Begleitband The Attractions folgten Werke mit dem Easy-Listening-Guru Burt Bacharach oder der Opernsängerin Anne Sofie von Otter, er sang Kurt Weill und irische Weisen - kurz, der zornige Buddy Holly der New-Wave- Generation war er nicht mehr, was ihm das Publikum und vor allem die Kritik kaum verzeihen wollten. Gross war daher die Aufregung, als aus dem kunstbeflissenen Patrick Aloysius McManus wieder sein Alter Ego Elvis Costello mit der sägenden elektrischen Gitarre und der bissigen Zunge wurde. «Das Leben war einfacher, als ich grausam war», heisst der zentrale, fast programmatisch-resignierte Satz im Titelstück der neusten CD, «When I Was Cruel», die weitherum als Comeback gewertet wurde.
Einfacher ist das Leben vielleicht, wenn man das tut, was das Publikum von einem erwartet, aber ist es dadurch auch befriedigender? Die ersten paar Stücke im gut gefüllten Kongresshaus liessen Zweifel aufkommen: «Little Fool» und «Clubland» führten - bei übergrosser Lautstärke - etwas unnötigerweise zurück in die frühen achtziger Jahre, zum kratzbürstigen Klang des Nicht- Gitarristen Costello, zur käsigen Farfisa-Orgel des versierten Keyboarders Steve Nieve; selbst die Pop-Perle «The Other Side of Summer» verlor im undurchdringlich dichten Sound an Glanz. Doch die neue Begleitband The Imposters, die bis auf den neuen Bassisten Davey Farragher identisch mit den Attractions ist, fand zur Form: Mit dem schlankeren Reggae-Versatz «Watching The Detectives» und dem Ersatz-Country von «Indoor Fireworks», vor allem aber mit den spannenden, Sample-durchsetzten Stücken der neusten CD, zum Beispiel dem überragenden «When I Was Cruel» oder dem kleveren «45», steigerte sich das Quartett dann aber zu einem differenzierteren Sound und zu grösster Spiellaune.
Zuerst galt es, die eigene Vergangenheit abzutragen, alte Schlachtrösser wie «Chelsea» aus dem Stall zu holen und frisch zu striegeln. Dennoch blieb's beim Karriererückblick in Ausschnitten: Es gab kaum ein Stück aus den schwierigen neunziger Jahren, überraschenderweise selbst aus «Brutal Youth» nicht, dem letzten grossen Werk mit den Attractions von 1994.
Dann eine weitere Überraschung: Nach achtzig knappen Minuten war Schluss. Nach kurzer Pause kehrten Costello und seine drei kompetenten Begleiter aber zurück; nun schien das Konzert erst richtig zu beginnen. Die erste Zugabe geriet zum ersten unter vielen Höhepunkten des Auftritts: Costello servierte eine delikate Version der jazzigen Ballade «Almost Blue», die im Kongresshaus mit stiller Aufmerksamkeit mitverfolgt wurde. Dann war wieder Party angesagt: Jetzt kamen die restlichen Hits aus der Vergangenheit zur Aufführung, etwa «Radio Radio», «Alison» oder «Pump It Up». Dieser Zugabenblock, der beinahe ebenso lang war wie der eigentliche Auftritt, zeugte von der Spielfreude Costellos. Das Publikum hatte seinen Elvis wiedergefunden, dankte es ihm beinahe endlos und lockte ihn immer wieder auf die Bühne - bis hin zum unvermeidlichen Höhepunkt, dem intensiven «I want you».
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