Badische Zeitung, October 29, 2014

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Baloise session

Elvis Costello in Basel: Die Liebe und all das andere


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Peter Disch

Der unzufriedene Preisträger: Elvis Costello ist mit seinem Auftritt bei der Baloise Session in Basel nicht zufrieden. An großen Momenten hat es bei dem Konzert trotzdem nicht gemangelt.

Das gibt es auch nicht alle Tage. Gerade hat Elvis Costello seinen Auftritt bei der Baloise Session in der Basler Messe beendet und kommt für eine Zugabe auf die Bühne zurück, als er plötzlich Festivaldirektor Matthias Müller und Geschäftsführerin Beatrice Stirnimann im Schlepptau hat. Ehe er sich’s versieht, ist er mittendrin in einer überraschenden Ehrung und nimmt etwas verdattert den "Musician’s Musician Award" des Festivals entgegen.

Die Auszeichnung ist wie für ihn gemacht. Eine Musikgröße, die von ihresgleichen geschätzt wird, ist der 60 Jahre alte Brite tatsächlich. Doch an diesem Abend, findet der kleine Mann mit den großen Songs, ist er diesem Ruf nicht gerecht geworden. "Ich glaube nicht, dass ich den Preis verdient habe. Ich habe das Gefühl, nicht gut gespielt zu haben. Ich hoffe, ich sehe euch wieder", beschließt Costello seine kurze Dankesrede – als wollte er sagen: Gebt mir bitte nochmal die Gelegenheit, es besser zu machen.

Als Reaktion aus dem Publikum kommen vereinzelte Lacher. Costello ist berühmt für seine feine Ironie und berüchtigt als messerscharfer, schneidend sarkastischer Beobachter, für sublime Botschaften und doppelbödige Doppelbödigkeiten. Doch diese Selbstkritik dürfte Wort für Wort genau so gemeint gewesen sein. Manch einer wäre froh, hätte er so ein Konzert abgeliefert. Costello nicht. Seine Ansprüche sind andere. Nach Basel ist er solo gekommen, mit ein paar Gitarren und einem Keyboard, keine Band, keine Begleiter. Dafür eine Handvoll eigener Songs, quer durch alle Schaffensperioden. Die einfach so spielen, wie sie jeder kennt und wiedererkennt? Nicht mit ihm. Das Problem dabei, die Ursache für die spätere Unzufriedenheit ist schon beim ersten Lied "45" zu hören. Costello wirft sich fast schon übermotiviert in den Song. Die verstärkte Akustikgitarre dröhnt und hallt, der Gesang galoppiert. Verve, Kraft, Ausdruck – alles da, nur: Ganz synchron ist das nicht. Costello will an diesem Abend zu viel. Es geht um Nuancen. Doch die reichen am Ende, um ihn, gemessen an seinen eigenen Ansprüchen, scheitern zu lassen.

Anmerken lässt er sich das während des Konzerts nichts. Im Gegenteil. Costello könnte sein Geld auch als Conférencier verdienen. Nach dem zweiten Lied sagt er: "Ich werde nur über die Liebe singen" – kleine Kunstpause – "und über Täuschungen, Lügen, Treue und Betrug." Das Timing meisterlich, die Pointen sitzen, die Anekdoten über seinen Vater und den Opa, Musiker wie er, wachsen sich von einem Moment zum anderen zu Münchhausiaden aus. Wer im Englischunterricht aufgepasst hat, hat allein deshalb an diesem Abend seinen Spaß.

Mag die Tagesform in Basel nicht immer perfekt gewesen sein, so hat der Auftritt trotzdem große Momente. Sein "New Amsterdam" lässt er, wie seit Jahren erprobt, in "You’ve Got To Hide Your Love Away" von den Beatles übergehen, bei dem er das Tempo verschleppt und und Textzeilen absichtlich verschluckt. "Everyday I Write the Book", 1983 als Fingerübung in Sachen Motown-Soul ein Hit, wird zu einem reflexiven Folksong. Der Höhepunkt ist dann "Watching The Detectives". Dem Reggae von 1977 treibt er alles Schunkelige aus, die titelgebenden Kommissare finden sich statt im Fernsehkrimi plötzlich im wahren Leben wieder. Sirenen heulen, die E-Gitarre kreischt und pfeift: zwei Minuten grandiose Kakophonie – mancher der gut situierten Besucher steht auf und geht.

Das erwähnte Mea culpa wirkt sich aus das Finale dann befreiend aus. Erst gibt es eine beklemmende Version von "Shipbuilding", seinem 1982 erschienenen Kommentar zum Falkland-Krieg. Am Ende der letzten Zugabe "Jimmy Standing in the Rain" tritt er vom Mikro zurück und singt unverstärkt und inbrünstig ein paar Zeilen aus einem Wirtschaftskrisen-Song der Zwanziger, "Brother Can You Spar a Dime?" – und alles fügt sich doch noch aufs Schönste ineinander.

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Badische Zeitung, October 28, 2014


Peter Disch reviews Elvis Costello, solo, Tuesday, October 28, 2014, Event Hall, Basel, Switzerland.

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2014-10-29 Badische Zeitung photo 01.jpg
Photo by dpa.

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