Berliner Morgenpost, September 19, 2023

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Elvis Costello: Für Überraschungen immer gut


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   Ulrike Borowczyk

Berlin. Der britische Musiker Elvis Costello und sein Duo-Partner Steve Nieve treten in der Verti Music Hall auf.

Die überdimensionale Hornbrille und der Anzug sind Elvis Costellos Markenzeichen seit Beginn seiner Karriere in den Siebzigern. Ansonsten ist der geniale Musiker aber seit langem dafür bekannt, dass man bei ihm nie weiß, was einen als nächstes erwartet. Weder live noch auf seinen Alben. Er beherrscht einfach alles vom krachenden Rock, über Power-Pop und klassische Klänge bis zu croonenden Balladen. Diese Vielseitigkeit ist Ausdruck seiner ständigen musikalischen Weiterentwicklung. Die amerikanische Songwriterin Liz Phair schwärmte einmal: „Seine ganze Musik sagt einem ‚Du kannst gerne mitkommen – aber ich werde nicht stehen bleiben‘.“

Heute Abend ist Elvis Costello endlich wieder in Berlin zu erleben. Auf seiner „100 Songs And More“-Tour ist er mit seinem langjährigen Weggefährten und Freund Steve Nieve in der Verti Music Hall zu erleben. Letzterer spielte bekanntlich von 1977 bis 1986 und von 1994 bis 1996 in Costellos Begleitbands The Attractions und The Imposters. Der klassisch ausgebildete Pianist heißt bürgerlich eigentlich Stephen John Nason. Seinen Spitznamen „Nieve“ wie „naiv“ erhielt er während der ersten gemeinsamen Tour. Er fragte nämlich ganz unschuldig, was den bitteschön ein Groupie sei?


Bei den Konzerten greifen die beiden auf den riesigen Backkatalog von Costello zu. Mit anderen Worten: Die über 20 performten Titel vereinen Klassiker, Hits und Raritäten jeden Genres. Costello hat sich schließlich nie labeln und in eine Schublade stecken lassen. Dass er auf Trends pfiff, war schon zu Beginn seiner Karriere klar. Vorab gab ihm sein erster Manager Jake Riviera noch den respektlosen Rat, sich aus Publicity-Gründen den Vornamen des Kings of Rock’n’Roll zuzulegen. Dann erschien sein erstes Album „My Aim Is True“, eines der besten Debüts der Rockgeschichte, im Juli 1977 auf dem Höhepunkt des britischen Punk und war ein satter Kontrapunkt dazu.

Obwohl er den Begriff „New Wave“ mit Blick auf seine Musik nie verwendete, definierte er mit seinen frühen Platten das aufkommende neue Genre. Stark dazu beigetragen haben auch The Attractions. Für einige die brutalste Rhythmus-Combo überhaupt. In jedem Fall war ihr knapper New-Wave-Sound Teil des Erfolges. Mehr noch: Costello war einer der wenigen Briten, die mit New Wave in den USA charteten. Bis er sich 1979 selbst ein Bein stellte. Bei einem Streit in einer Hotelbar in Ohio ließ sich der seinerzeit daueralkoholisierte Sänger zu rassistisch Äußerungen über James Brown und Ray Charles hinreißen. Zwei Musiker, die er eigentlich bewundert. Die negativen Schlagzeilen behinderten seine Karriere in den USA viele Jahre.

Dabei wuchs der 1954 in London als Declan MacManus geborenen Elvis Costello mit Jazzmusik von Ella Fitzgerald und Nat King Cole auf. Er stammt aus einer überaus musikalischen Familie. Sein Großvater Pat war Trompeter auf den Ozeandampfern der Liverpooler Titanic-Reederei „White Star Line“, sein Vater Ross verdiente seinen Lebensunterhalt als Sänger und Jazztrompeter im Joe Loss Orchestra und Mutter Lillian arbeitete als Plattenverkäuferin. Seine Eltern drängten ihn jedoch nie dazu, Musikunterricht zu nehmen. Er sah bei seinem Vater, dass Musiker ein Job wie jeder andere auch ist und viel Disziplin und harte Arbeit bedeutet. Dennoch stand für ihn fest, dass er nach der Schule ebenfalls Musiker werden würde. Also schrieb er schon früh Songs und spielte in diversen Bands. Einen Plan B hatte er nicht.

Heute gilt Elvis Costello als einer der besten, vielseitigsten und einflussreichsten Songwriter seiner Generation. Der Rolling Stone listet den Briten auf Rang 80 der hundert größten Musiker sowie auf Rang 24 der hundert größten Songwriter aller Zeiten. Allein drei seiner Alben haben es zudem in die Top 500 der besten Alben aller Zeiten geschafft. Costello war von jeher ein Kritiker-Liebling. An absoluten Verkaufszahlen lässt sich sein Erfolg hingegen weniger festmachen. Dazu passt auch, dass es in der Aufnahmeankündigung der Songwriters Hall of Fame hieß, in die er 2016 aufgenommen wurde, dass die Wirkung von Costellos Liedern „ihre kommerzielle Leistung bei weitem übertrifft“.

Was wohl auch daran liegt, dass ihm die Fans nicht bei jedem Ausflug in neue musikalische Gefilde gefolgt sind. Seine Songs aus der Zusammenarbeit mit Ex-Beatle Paul McCartney Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger etwa waren stark pop-geprägt. Und die Hinwendung zur Klassik mit den Streicher des Brodsky Quartet interessierte Rock-Liebhaber eher weniger. Es folgte eine Kooperation mit Burt Bacharach, die ein voller Erfolg wurde. Auch mit der Aznavour-Ballade „She“ im Kinohit „Notting Hill“ erschloss sich Costello 1999 neues Publikum. Im selben Jahre lernte er übrigens Notenlesen, Autofahren und Italienisch.

Eine weitere Richtungsänderung kam mit der Liebe. 2003 heiratete er die kanadische Jazzpianistin und Sängerin Diana Krall, seine dritte Ehefrau. Im gleichen Jahr veröffentlichte Costello das Album „North“, das von der neuen Beziehung erzählte. Zudem war er ganz aus dem Häuschen, dass es auf dem legendären Jazz-Label „Verve“ erschien. Bis heute ist Elvis Costello ein Drifter zwischen Pop- und Hochkultur. In diesem Spannungsfeld dürfte sein Gig mit Steve Nieve mit einige Überraschungen aufwarten.

Verti Music Hall, Mercedes-Benz Platz 2, Friedrichshain. Tel. 301068085. Am 20.9. um 20 Uhr

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Ulrike Borowczyk previews Elvis Costello and Steve Nieve, Wednesday, September 20, 2023, Verti Music Hall, Berlin, Germany.

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Photo by Giuseppe Spinozzi.


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