Berliner Zeitung, May 4, 2001

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Anne Sofie von Otter im Duett mit Elvis Costello

Aber dann bricht die Spannung weg

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Wolfgang Fuhrmann

Anne Sofie von Otter meets Elvis Costello" - das ist ein Plattentitel, der ein Versprechen bedeuten kann, aber auch eine Drohung. Der Weg des klassischen Künstlers in die Sphären des Pop oder Jazz ist ja oft genug ein Holzweg gewesen. Als eines der gruseligsten Projekte jener Art ist die Kollaboration des Allround-Operntenors Placído Domingo mit dem Country-Sänger John Denver in Erinnerung: Die dunkle, stämmige Stimme Domingos walzte den spröderen Gesangston Denvers so nieder, als wollte ein Tyrannosaurus einen auf Kuscheltier machen, während er nebenbei das Mobiliar zertrümmert. Von Anne Sofie von Otter, dieser stil- und geschmackssicheren schwedischen Mezzosopranistin, war ein derart trampeliger Zugang nicht zu befürchten. Ihre niemals überzüchtet wirkende, immer klare und modulationsfähige Stimme wäre eigentlich etwas für Menschen, die der so genannten klassischen Musik eher fremd gegenüberstehen, und Elvis Costello war auch elektrisiert, als er sie zum ersten Mal in Berlioz "Damnation de Faust" hörte. Dennoch wird man mit der viel beachteten Aufnahme, die sie mit dem Popmusiker unter dem Titel "For the Stars" bei der Traditionsmarke Deutsche Grammophon herausgebracht hat, nicht glücklich. Um auch hier einen Vergleich zu ziehen: Von Otter hat sich selbst so systematisch unterfordert, dass sie einer Kindergärtnerin gleicht, die die lieben Kleinen beim Fangenspielen immer gewinnen lässt. Gegen solches idiomatische Herabdimmen ist aber auch der hintergrundtaugliche Mainstream-Pop äußerst empfindlich: Unvermögen mag er eher tolerieren als bewusste Unterdrückung.Kunst durch Kunst verbergenDabei wird trotz allem deutlich, dass von Otter - ganz im Gegensatz zu Domingo - über ein klares Bewusstsein der stilistischen Erfordernisse verfügt: Sie bemüht sich um einen schlanken, "natürlichen" Ton, um eine leichte und manchmal lässige Stimmgebung mit viel Luft. Dabei sieht sie sich gezwungen, ihren eigentlichen Stimmsitz, die Bruststimme, zu verleugnen, dadurch entsteht ein eigenartig beschränktes Klangfarbenspektrum und eine entsprechend geringe Modulierbarkeit des Ausdrucks. Die Idee war offensichtlich, die Kunst durch die Kunst zu verbergen, aber das Resultat ist der Intention ganz entgegengesetzt: Man spürt nur, dass hier etwas verborgen wird, und das stimmt unfroh. Dazu kommt, dass von Otter auch den Texten wenig gerecht wird: Ihre Aussprache klingt nicht nur unidiomatisch - das wäre kein Problem, auch Björk singt ein äußerst seltsames English à la islandaise - , sondern der semantische und syntaktische Sinn des Textes wird unterbelichtet: "Go leave", das von den Schmerzen einer Trennung handelt, wirkt so apathisch schön, als wär s ein Rückblick nach zwanzig Jahren. So bekommt das Anhören der Platte etwas Quälendes, gerade weil Costello so liebevolle Arrangements erstellt hat, die von Otters Stimme wie auf Flügeln tragen: Immer wieder gelingen berückend schöne Eingangsphrasen, der Hörer bangt und hofft, aber dann bricht die Spannung weg - manche der Balladen, könnte man sagen, sind zu langsam im Tempo, tatsächlich gibt es aber keine zu langsamen, nur unerfüllte Tempi. Es ist, als ob die Sängerin von der Welt des Pop durch eine unsichtbare Wand getrennt wäre, trotz aller Bemühungen langt sie nicht auf der anderen Seite an. Man höre nur, wie Costello in der aus Tom Waits "Broken Bicycles" und Paul McCartneys "Junk" gemischten Nummer sechs des Albums auf von Otter antwortet, mit einer rauen, aber intensiven Tongebung, um zu begreifen, dass hier der eine seine Muttersprache spricht und die andere nur einen Crash-Kurs hinter sich hat.

Elvis Costello & Anne Sofie von Otter: For the Stars (Deutsche Grammophon)

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Berliner Zeitung, May 4, 2001


Wolfgang Fuhrmann reviews For The Stars


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