So kurios die Verbindung von Elvis Costello und den Roots zunächst scheinen mag – auf gewisse Weise war sie wohl unvermeidbar. Einerseits werden offenbar beide Parteien im Alter immer kontaktfreudiger. Die Roots als Band wie in Gestalt ihres rastlosen Drummers Ahmir „Questlove“ Thompson begleiteten ungefähr jeden von Jay-Z über Amy Winehouse zu Fiona Apple, und als Hausband des Late-Night-Talkers Jimmy Fallon haben sie sich ohnehin souverän als menschliche Jukebox weitergebildet.
Costello wiederum, der aggressive Nerd des Postpunk, croonte mit Burt Bacharach und Allen Toussaint, ließ sich vom Brodsky Quartett begleiten und sang mit der Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter. Vor allem zeigte er schon zu Beginn seiner Karriere, dass er sich dem Reggae-Schaukeln ebenso furchtlos nähern konnte wie dem Motown-Drall.
Von daher überrascht es nicht, dass Wise Up Ghost von beiden Seiten her ein gründlich gelungenes, spannend kommunikatives Album wurde. Wer einen harten HipHop-Punch erwartet, wird meist enttäuscht – natürlich, weil die Roots seit je die flüssigeren Momente bevorzugen. Questloves prägnant klappernde Snares betrommeln Costellos gern leicht gereiztes Maulen so lässig wie punktgenau meist im Downbeatbereich. Nur ausnahmsweise schwingen sie sich in „Refuse to Be Saved“ zu einem des heftigen, mit flirrend trudelnden Streichern belegten Funk empor, und nur zweimal dimmen sie das Licht auf Balladenintensität.
„If I Could Believe“ fällt dabei leider etwas arg publikumsmittig aus, aber „Tripwire“ schuffelt als feiner, zärtlicher Soul daher, der es mit den schönsten Costello-Schmachtern aufnehmen kann. Meist findet man sich mit cool wumpendem Bass und den typischen, präzis synkopisch hinkenden Questlove-Drums in trocken arrangierten Neo-Soul-Nummern wieder.
Ganz wunderbar akzentuieren kleine Arrangementmotive Costellos Gesang: In „Grenade“ sind das knapp geschnittene blecherne Soulbläser, in „Viceroys Row“ ein paar weiche Holzbläser mit Flöte; sanfte Chormotive umhüllen den Refrain von „Tripwire“, und in „Wake Me Up“ dengelt kurz eine psychedelische Blaxploitationgitarre. Großartig auch die Orchesterwehen, die zu zischelnden Becken das beschwörende Nörgeln des Titelsongs mit ordentlich Suspense belegen.
Das erinnert einerseits an die Neo-Soul-Produktionen Thompsons für D’Angelo und Erykah Badu. Andererseits lassen sich die Roots durchaus auf Costellos Songwriting ein, in dessen schlechtgelaunte bis sarkastische Texte zu Kriegswirtschaft, persönlichen Enttäuschungen und allgemeineren Anlässen dieser wiederum wie als Analogie zum HipHop-Sampling ältere Texte wie das böse „Pills and Soap“ oder melodische Motive etwa aus „Satellite“ zitiert. So entsteht eine höchst anregende, auch ästhetisch treffliche Verbindung zwischen dem sozial wachen HipHop der Roots und Costellos wacher Poesie, die auf elegante Weise das titelgebende Versprechen auf Klarsicht einlöst.
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