Die Zeit, April 11, 2001

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Der Kunststreber

Anne Sofie von Otter and Elvis Costello / For The Stars

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Thomas Gross

Da hat er auf seine alten Tage aber eine Eroberung gemacht, der sinistre Herr Costello: Anne Sofie von Otter, ihres Zeichens lyrischer Mezzosopran, sehr blond, sehr schwedisch, was aber hier nichts zur Sache tut, schließlich geht es um Höheres. Auf einem Berlioz-Abend, heißt es, sei er ihr vor zehn Jahren verfallen, genauso lange hat es gedauert, bis sie ihm gestattete, einige Lieder für sie auszusuchen. Ein klarer Fall von Divenbeknieung also, aus der For The Stars: Anne Sofie von Otter meets Elvis Costello (DG/Universal) hervorgegangen ist, 18 Pretiosen von Altmeistern des Populären wie Tom Waits, Brian Wilson, Paul McCartney sowie, nun ja: Elvis Costello, die qua Arrangement und Tremolo noch ein wenig kostbarer gemacht wurden. "Jeder Song war wie das Auspacken eines Geschenks", wird die von Otter nach vollbrachter Tat zitiert. Und er: "Unglaublich! Keine andere Studioarbeit in den letzten Jahren hat mir so viel Spaß gemacht." Und sie: "Elvis singt mit unglaublicher Energie." Und er: "Ich weiß nicht, was es war in ihrer Stimme, aber ..." (wir blenden langsam aus).

Nun ist es so, dass die Fusion von Klassik und Pop, der so genannte Cross-over, schon viel Unglück über die Menschheit gebracht hat — von Deep Purple im Verein mit dem London Symphonic Orchestra über den rockenden Heldentenor Peter Hofmann bis hin zu den unseligen Scorpions. Costellos Von-Otter-Approach hat auch dieses Kunststreberische, das bevorzugt Autodidakten in ihrer Lebensmitte befällt, wenn ihnen ihr eigenes Treiben allzu trivial vorkommt und ein wenig Adelung gut tut. Gediegenere Begleitungen als die, die er seiner Diva verpasst hat, lassen sich schwerlich vorstellen, selbst aus Tom Waits' "Broken Bicycles," das einmal ein rauchiges Etwas war, wird ein zartes Nichts — was die gemeinsame Schöngeisterei an den Rand des Sterilen bringt: Koloraturen sind nun einmal die Domäne des Operngesangs, während der Popsong mehr die sterbliche Hülle des Menschen in den Mittelpunkt stellt, Geschlechtsorgane inbegriffen.

Andererseits: Tragen die Songgebilde eines Brian Wilson oder Burt Bacharach ihn nicht selbst in sich, diesen Kern 19. Jahrhundert, der bloß durch zufällige Zeitgenossenschaften verdeckt war? Haben sie jemals etwas anderes als Kunstgefühle in Kunstformen ausgedrückt? Der Primadonnenkomplex, der einen Mann wie Costello dazu treibt, Rock 'n' Roll als Kammermusik aufzuführen, rohere Zuneigungen in ebenso sinn- wie zweckfreien Formen der Anbetung zu sublimieren, hat als Wille, Vorstellung und Spleen auch Züge echter Grandezza. In Schönheit sterben — warum eigentlich nicht? Schlechte Rockalben kennt die Welt genug.

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Die Zeit, April 11, 2001


Thomas Gross reviews For The Stars.


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