Die Zeit, October 9, 2003

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Die Zeit

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Ein Clown in Liebe

Elvis Costello macht mit "North" Frank Sinatra Konkurrenz

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Konrad Heidkamp

Der verlorene Sohn ist endgültig heimgekehrt. Mag er einst Rebell gewesen sein, Punk oder bitterer Clown, jetzt ist er Crooner, Klassiker und Song-Siegelbewahrer. Doch vor allem singt er von der Liebe, von ihrer Angst und ihrem Sehnen, tremoliert in Bariton-angenehmer Tieflage auf Schubert-Basis und schenkt der Gemeinde ein Balladenalbum, das von dem romantischen Spötter nicht zu erwarten war.

Um auf dem Boulevard zu bleiben: Als der nörgelnde Misanthrop und der 38-jährige Jazz-Star im letzten Jahr gemeinsam einen Grammy überreichten, erinnerte Costello sie an ein Treffen vor Jahren. Er habe ihr damals einen seiner Songs ans Herz gelegt, und sie gestand ihm, dass sie sich weder den Song noch ihn zu Herzen genommen hatte. "Er akzeptierte das, und es machte klick", sagt sie. "I think he’s the coolest guy. I bought all of his albums the next day." Diana Krall musste sich etwa 21 Alben gekauft haben, ein Œuvre, für das er 25 Jahre gebraucht hatte.

1977 war der fickrige Sänger mit der übergroßen Hornbrille, den viel zu kleinen Hemden und Anzügen mitten in Punk und New Wave aufgetaucht, sang mit metallischer Stimme von Eifersucht, Hass und Politik, hatte mit Less Than Zero und Oliver’s Army die Faschisten im Auge und mit Alison die traurige Liebe. Man verkaufte ihn als "Buddy Holly auf Acid", schickte ihn und seine Band The Attractions auf skandalumwitterte Tourneen, bis er nicht mehr einzuordnen war, sich selbst so unberechenbar wie den Zuhörern. Er gab dem Soul und den Bläsern (Get Happy) so viel wie der Countrymusik (Almost Blue), er liebte die barocke Vielfalt (Imperial Bedroom) wie den ungehobelten Garagenklang (Blood And Chocolate). Doch zwischen all den Zitaten, dem beißenden Zorn und der scheppernden Wut stand er schon von Anfang an allein, die eine Hand am Flügel, die andere Hand am Herz, und sang in geschmerzter Pose von Zweifel und Suche, I Just Don’t Know What To Do With Myself.

Durch seine Ausflüge ins klassische Genre mit dem Brodsky Quartett (Juliet Letters) und Anne Sofie von Otter (For The Stars), die beide von seiner Noch-Ehefrau Cait O’Riordan inspiriert wurden, sowie die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Burt Bacharach (Painted From Memory) hat sich der messerscharf denkende Elvis Costello endgültig vom Image des Rockmusikers gelöst, nur mehr seiner Liebe und dem Song verpflichtet, selbstbeschränkt und dadurch unendlich frei.

Doch, wie’s die Herkunft will, landet er damit wieder zu Hause, bei der Musik seiner Eltern. Sein Vater Ronald Ross MacManus sang im Joe Loss Orchestra, dem Klangideal Glenn Millers und Frank Sinatras nah; seine Mutter, die Schallplattenverkäuferin Lillian Costello bewunderte Mel Torme wie Ella Fitzgerald, beide Lieblinge des neunjährigen Declan MacManus, der sich später Elvis nannte. I’m In The Mood Again bekennt er nun, verwendet Streicher und verlorene Trompetentöne, Vibrafone und das legendäre Altsaxofon von Lee Konitz. Elvis Costello war schon immer ein Mann des erlesenen Geschmacks, der sich Jazz als Klangfarbe leisten konnte, In The Wee Hours Of The Morning.

Um wieder auf den Boulevard einzuschwenken: Von seiner ersten Frau Mary Burgoyne ließ er sich 1985 scheiden, von Cait O’Riordan trennte er sich nach 16 Jahren im November 2002. Doch wo andere in Trauer kreativ werden, klang Elvis Costello aggressiv, wo andere in Depression schlurfen, blieb er melancholisch. Also beginnt er North mit einem Abschied – You Left Me In The Dark – und endet mit einem Stück, das der 49Jährige vorsichtigerweise als Bonustrack ausweist, Impatience. Glück ist ihm Zugabe.

Das Traumpaar muss sich in Acht nehmen. Zum einen schreibt’s sich vom Unglück genauer als vom Glück, das benebelt und den Abstand zum Objekt verschwinden lässt. Zum Zweiten hört man Liebenden gerne zu, aber nicht allzu lange, was auch unser Sänger weiß: "Friends now regard with indulgent smile / but when I start to speak they run away." Was heißt: Dieser Mann und dieses Album sind ebenso großartig wie schwierig – Verliebte wissen Bescheid, den anderen wird es möglicherweise zu eintönig.

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Die Zeit, Ocober 9, 2003


Konrad Heidkamp reviews North.



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