Fachblatt Musik Magazin, August 1991: Difference between revisions

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<center><h3> Elvis Costello </h3></center>
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<center> Elvis Costello ist nicht nur eine Symbolfigur intelligenten und anspruchsvollen New Waves und ein kommerziell erfolgreicher Popmusiker, sondern auch - und das ist ungewöhnlich - ein Lieblingskind der Kritiker, obwohl oder vielleicht gerade auch weil er sich dem branchenüblichen Promotionrummel konsequent verweigert.  </center>
<center> Elvis Costello ist nicht nur eine Symbolfigur intelligenten und anspruchsvollen New Waves und ein kommerziell erfolgreicher Popmusiker, sondern auch und das ist ungewöhnlich ein Lieblingskind der Kritiker, obwohl oder vielleicht gerade auch weil er sich dem branchenüblichen Promotionrummel konsequent verweigert.  </center>
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''In diesem Zusammenhang: Wie kam es übrigens zu Deiner Zusammenarbeit mit dem Bassisten Rob Wassermon?  
''In diesem Zusammenhang: Wie kam es übrigens zu Deiner Zusammenarbeit mit dem Bassisten Rob Wassermon?  


Er bat mich damals bei seinem Album ''Duets'' um meine Mitarbeit, was sich jedoch zeitlich nicht einrichten ließ, und er wiederholte sein Angebot bei seiner neuen Platte ''Trios'', die praktisch eine Fortsetzung seiner Vorgänger darstellt, was schon der Titel andeutet (Wassermans erstes Album heißt infolgedessen ''Solo''). Dieses Mal klappte es, und er kam an einem Tag, als ich gerade eine Pause bei der Arbeit an meinem eigenen Album einlegte.  
Er bat mich damals bei seinem Album ''Duets'' um meine Mitarbeit, was sich jedoch zeitlich nicht einrichten ließ, und er wiederholte sein Angebot bei seiner neuen Platte ''Trios'', die praktisch eine Fortsetzung seiner Vorgänger darstellt, was schon der Titel andeutet (Wassermans erstes Album heißt infolgedessen ''Solo''). Dieses Mal klappte es, und er kam an einem Tag, als ich gerade eine Pause bei der Arbeit an meinem eigenen Album einlegte. Bei der Gelegenheit fragte ich ihn, ob er nicht mit seinem Sechssaiter, der diesen unglaublich tiefen Sound produziert (ein Standbaß) ein paar Sachen für mich einspielen wollte. Gerade bei den beiden ruhigen Stücken war sein Baßsound genau das, was ich suchte.
 
''Auf Spike hast Du das ja sehr extrem praktiziert, ganz bestimmte Musiker für bestimmte Stücke eingesetzt, viel variiert, überraschende Kombinationen versucht, wie die irischen Instrumente mit den Bläsern. Darin unterscheidet sich das neue Album doch deutlich — wie bist Du diesmal an die Aufnahmen herangegangen?
 
''Mighty Like A Rose'' bleibt mehr im Bereich des herkömmlichen Rock 'n' Rolls, aber nichtsdestotrotz hatte ich auch hier eine klare Vorstellung davon, wer was am besten spielen kann, wo Jim Keltner an den Drums zu sitzen hat und wo T-Bone Wolk Baß spielen soll. Was die Gitarrenparts anbelangt, so hat diesmal anders, als man es vielleicht vermuten würde, James Burton (Gitarrist der alten Elvis Presley Backing Band) z. B. die harte rockige Gitarre auf "Hurry Down Doomsday" gespielt, obwohl er eigentlich eher der Mann für die Rockabilly-Geschichten ist. Hier spielt er ganz andere Sachen, was eine regelrechte Herausforderung für ihn war.
 
Genauso verhält es sich mit Marc Ribot, dem man aufgrund seiner Zusammenarbeit mit Tom Waits eher die lauten agressiven Parts zuschreiben würde: Er ist auf der Platte für fast alle ruhig arrangierten Gitarrenfiguren, wie sie z. B. in "Georgie And Her Rival" auftauchen, verantwortlich. Die anderen schrägen und lauten Gitarren stammen von mir. Das Tolle an der Arbeit mit anderen Leuten liegt darin, daß es über das Gewohnte hinaus auch oft Überraschungen gibt und sich plötzlich unerwartete Qualitäten auftun, zumal ich selbst in meinen Fähigkeiten auf der Gitarre ziemlich begrenzt bin.
 
''Begrenzt in welcher Hinsicht?
 
Vor allem technisch, denn ich habe nie geübt. Mein Sohn spielt viel besser als ich, er ist 16, also in dem Alter als ich damals anfing, Gitarre zu spielen. Aber anders als ich übt er andauernd, spielt Skalen, Jimi-Hendrix-Soli und so'n Kram. Das habe ich nicht gemacht; alles, was ich gelernt habe, waren Akkorde, so daß ich Songs spielen konnte, denn ich wollte immer eher Sänger und Songwriter als Gitarrist sein. Faul wie ich nun mal bin, habe ich nur so viel gelernt, wie ich dazu brauchte.
 
Aber um noch einmal auf Deine Frage von vorhin zurückzukommen: unabhängig von möglichen Überraschungen mußt Du schon den Charakter der Spieler sowie ihren Stil und ihre Art kennen, um zu wissen, was sie beisteuern können und was Du von ihnen willst. Das sind Überlegungen, die ich auch beachte, wenn ich einen Song schreibe und die Arrangements erstelle.
 
''Was Deine Art und Weise des Komponieren anbelangt, so bist Du bekannt für den spielerischen Umgang mit musikalischen Versatzstücken aus allen möglichen Stilen. Was für eine Funktion bzw. Absicht steckt eigentlich dahinter?
 
Ich finde, es hilft der Idee des Songs Ausdruck zu verleihen. Wenn Du einen Song im Sinne einer Notierung schreibst — was ich übrigens so gar nicht kann — dann besteht er streng genommen nur aus Noten, d. h. aus dem jeweiligen Notenwert. Aber der Song beinhaltet natürlich auch den Ausdruck, also die Frage, wie etwas gespielt werden soll. Das drücke ich durch verschiedene Arten von Arrangements, die Integration verschiedener Rhythmen bzw. verschiedener Musikstile aus. So hat z. B. der Song "Hurry Down Doomsday" aufgrund seiner fast alptraumartigen Story einen ganz anderen Charakter als "Harpies Bizarre," der als Song nur eine kleine tragisch ironische Geschichte beinhaltet. Es käme mir absurd vor, für beide Stücke die gleiche Musik zu verwenden, das würde die jeweilige Geschichte nicht entsprechend wiedergeben.
 
Als Songwriter will ich letztendlich Geschichten erzählen oder Gefühle ausdrücken — und dabei können mir die verschiedensten Arten oder Stile von Musik helfen. Ich könnte natürlich auch nur eine akustische Gitarre nehmen und dazu sämtliche Songs singen, aber die meisten Leute würden das wohl eher langweilig finden. Mal sehen, vielleicht mache ich das auch eines Tages und schreibe Songs, die wirklich nur zur akustischen Gitarre passen oder irgendetwas nur mit einem Orchester, was weiß ich.
 
Man muß wissen, was für Songs man schreiben will und wie sie ausgehen, und wenn sie dann fertiggestellt sind, denke ich darüber nach, wie ich sie auf einer Platte hören will. Texte und Musik sind für mich eine Einheit. "Harpies Bizarre" könnte ich mir nicht mit einem Dancebeat vorstellen, das würde absolut nicht zusammenpassen. "Hurry Down Doomsday" ist für mich dagegen eine leicht verrückte Tanznummer, obwohl es nie ein Hit werden würde, denn dazu ist die Nummer nicht konventionell genug. Das Stück hat die musikalischen Qualitäten einer Tanznummer, einen harten Groove, nur eben komplexer als bei einem normalen Dancebeat.
 





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Elvis Costello

Elvis Costello ist nicht nur eine Symbolfigur intelligenten und anspruchsvollen New Waves und ein kommerziell erfolgreicher Popmusiker, sondern auch — und das ist ungewöhnlich — ein Lieblingskind der Kritiker, obwohl oder vielleicht gerade auch weil er sich dem branchenüblichen Promotionrummel konsequent verweigert.

John Christiansen

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Verblüffte der bissig zynische Kommentator menschlicher Unzulänglichkeiten mit bürgerlichem Namen Declan Patrick Mac Manus bislang zumeist durch seinen Ideenreichtum im Umgang mit den unterschiedlichsten musikalischen Stilrichtungen, so überrascht er diesmal bei der persönlichen Begegnung und auf dem Cover seines aktuellen Albums Mighty Like A Rose durch sein völlig neues Outfit: Mit langen Haaren, Vollbart und Nickelbrille wirkt er wie ein Relikt der seligen 70er. Genauso überraschend verläuft auch das Interview. Nichts von apostrophierter Schwierigkeit und Medienfeindlichkeit, ganz Brite, zeigt sich Elvis Costello zuvorkommend und redefreudig sowie als überaus nachdenklicher und kriti scher Zeitgenosse...


Du hast auf Spike, Deiner letzten LP, und auch auf der neuen Platte Mighty Like A Rose mit einer Fülle von verschiedenen Musikern zusammengearbeitet: angefangen bei bekannten Stars wie Paul McCartney, Roger McGuinn, aber auch mit Leuten wie Pete Thomas und Nick Lowe, die Du schon seit den alten Attractions-Tagen kennst. Welche Vorstellungen oder Ideen leiten Dich eigentlich bei der Wahl Deiner Musiker?

Die Zusammenarbeit mit Paul McCartney auf SPIKE war eine Sache, der viele Leute große Aufmerksamkeit widmeten, und hinter der meine Arbeit mit anderen weniger bekannten Leuten zurücktrat. Aber deren Mitarbeit war und ist für mich mindestens genauso wichtig wie die von Paul. Nick Lowe (b) oder Pete Thomas (dr) sind für mich als Musiker genauso bedeutsam, und speziell Pete ist meiner Meinung nach einer der zur Zeit besten englischen Schlagzeuger. Eine Behauptung, die ich mit Sicherheit nicht zur Zeit der Attractions aufgestellt hätte —aber er hat sich in den letzen Jahren stark verbessert. Auch Nicks Spiel, der für mich als Bassist ebenfalls unterschätzt wird, habe ich immer gern gemocht. Seine melodiöse Art zu spielen paßte genau in die Atmosphäre der Songs, auf denen er den Baß spielt.

In diesem Zusammenhang: Wie kam es übrigens zu Deiner Zusammenarbeit mit dem Bassisten Rob Wassermon?

Er bat mich damals bei seinem Album Duets um meine Mitarbeit, was sich jedoch zeitlich nicht einrichten ließ, und er wiederholte sein Angebot bei seiner neuen Platte Trios, die praktisch eine Fortsetzung seiner Vorgänger darstellt, was schon der Titel andeutet (Wassermans erstes Album heißt infolgedessen Solo). Dieses Mal klappte es, und er kam an einem Tag, als ich gerade eine Pause bei der Arbeit an meinem eigenen Album einlegte. Bei der Gelegenheit fragte ich ihn, ob er nicht mit seinem Sechssaiter, der diesen unglaublich tiefen Sound produziert (ein Standbaß) ein paar Sachen für mich einspielen wollte. Gerade bei den beiden ruhigen Stücken war sein Baßsound genau das, was ich suchte.

Auf Spike hast Du das ja sehr extrem praktiziert, ganz bestimmte Musiker für bestimmte Stücke eingesetzt, viel variiert, überraschende Kombinationen versucht, wie die irischen Instrumente mit den Bläsern. Darin unterscheidet sich das neue Album doch deutlich — wie bist Du diesmal an die Aufnahmen herangegangen?

Mighty Like A Rose bleibt mehr im Bereich des herkömmlichen Rock 'n' Rolls, aber nichtsdestotrotz hatte ich auch hier eine klare Vorstellung davon, wer was am besten spielen kann, wo Jim Keltner an den Drums zu sitzen hat und wo T-Bone Wolk Baß spielen soll. Was die Gitarrenparts anbelangt, so hat diesmal anders, als man es vielleicht vermuten würde, James Burton (Gitarrist der alten Elvis Presley Backing Band) z. B. die harte rockige Gitarre auf "Hurry Down Doomsday" gespielt, obwohl er eigentlich eher der Mann für die Rockabilly-Geschichten ist. Hier spielt er ganz andere Sachen, was eine regelrechte Herausforderung für ihn war.

Genauso verhält es sich mit Marc Ribot, dem man aufgrund seiner Zusammenarbeit mit Tom Waits eher die lauten agressiven Parts zuschreiben würde: Er ist auf der Platte für fast alle ruhig arrangierten Gitarrenfiguren, wie sie z. B. in "Georgie And Her Rival" auftauchen, verantwortlich. Die anderen schrägen und lauten Gitarren stammen von mir. Das Tolle an der Arbeit mit anderen Leuten liegt darin, daß es über das Gewohnte hinaus auch oft Überraschungen gibt und sich plötzlich unerwartete Qualitäten auftun, zumal ich selbst in meinen Fähigkeiten auf der Gitarre ziemlich begrenzt bin.

Begrenzt in welcher Hinsicht?

Vor allem technisch, denn ich habe nie geübt. Mein Sohn spielt viel besser als ich, er ist 16, also in dem Alter als ich damals anfing, Gitarre zu spielen. Aber anders als ich übt er andauernd, spielt Skalen, Jimi-Hendrix-Soli und so'n Kram. Das habe ich nicht gemacht; alles, was ich gelernt habe, waren Akkorde, so daß ich Songs spielen konnte, denn ich wollte immer eher Sänger und Songwriter als Gitarrist sein. Faul wie ich nun mal bin, habe ich nur so viel gelernt, wie ich dazu brauchte.

Aber um noch einmal auf Deine Frage von vorhin zurückzukommen: unabhängig von möglichen Überraschungen mußt Du schon den Charakter der Spieler sowie ihren Stil und ihre Art kennen, um zu wissen, was sie beisteuern können und was Du von ihnen willst. Das sind Überlegungen, die ich auch beachte, wenn ich einen Song schreibe und die Arrangements erstelle.

Was Deine Art und Weise des Komponieren anbelangt, so bist Du bekannt für den spielerischen Umgang mit musikalischen Versatzstücken aus allen möglichen Stilen. Was für eine Funktion bzw. Absicht steckt eigentlich dahinter?

Ich finde, es hilft der Idee des Songs Ausdruck zu verleihen. Wenn Du einen Song im Sinne einer Notierung schreibst — was ich übrigens so gar nicht kann — dann besteht er streng genommen nur aus Noten, d. h. aus dem jeweiligen Notenwert. Aber der Song beinhaltet natürlich auch den Ausdruck, also die Frage, wie etwas gespielt werden soll. Das drücke ich durch verschiedene Arten von Arrangements, die Integration verschiedener Rhythmen bzw. verschiedener Musikstile aus. So hat z. B. der Song "Hurry Down Doomsday" aufgrund seiner fast alptraumartigen Story einen ganz anderen Charakter als "Harpies Bizarre," der als Song nur eine kleine tragisch ironische Geschichte beinhaltet. Es käme mir absurd vor, für beide Stücke die gleiche Musik zu verwenden, das würde die jeweilige Geschichte nicht entsprechend wiedergeben.

Als Songwriter will ich letztendlich Geschichten erzählen oder Gefühle ausdrücken — und dabei können mir die verschiedensten Arten oder Stile von Musik helfen. Ich könnte natürlich auch nur eine akustische Gitarre nehmen und dazu sämtliche Songs singen, aber die meisten Leute würden das wohl eher langweilig finden. Mal sehen, vielleicht mache ich das auch eines Tages und schreibe Songs, die wirklich nur zur akustischen Gitarre passen oder irgendetwas nur mit einem Orchester, was weiß ich.

Man muß wissen, was für Songs man schreiben will und wie sie ausgehen, und wenn sie dann fertiggestellt sind, denke ich darüber nach, wie ich sie auf einer Platte hören will. Texte und Musik sind für mich eine Einheit. "Harpies Bizarre" könnte ich mir nicht mit einem Dancebeat vorstellen, das würde absolut nicht zusammenpassen. "Hurry Down Doomsday" ist für mich dagegen eine leicht verrückte Tanznummer, obwohl es nie ein Hit werden würde, denn dazu ist die Nummer nicht konventionell genug. Das Stück hat die musikalischen Qualitäten einer Tanznummer, einen harten Groove, nur eben komplexer als bei einem normalen Dancebeat.






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John Christiansen interviews Elvis Costello.

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