Frankfurter Rundschau, January 31, 2005

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Der König


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Tim Gorbauch

Immer auf dem Sprung und haarscharf dazwischen: Elvis Costello im Frankfurter Mousonturm

Linearität ist ihm fremd. Seine musikalische Sozialisation ist eher kurvig und sprunghaft als irgendwie monokausal. Vor allem aber ist es nie nur eine Tradition, an der sich Elvis Costello abarbeitet, ist es nie nur eine Musik, die er machen würde. Einem Chamäleon gleich wechselt er binnen Sekunden seine musikalische Haut. Gleichzeitig veröffentlicht Costello großorchestrale Träume bei der Deutschen Grammophon und erdige, bisweilen auch brüchige Rockdiskurse auf Lost Highway, gleichzeitig ist er Singer, Songwriter, Gitarrist, Arrangeur, Komponist, Dirigent, gleichzeitig liebt und spielt er Rock, Jazz, Klassik und all die Schattierungen dazwischen.

Selten aber versucht er seine multiplen Identitäten zu einem Hybrid zusammenzuzwängen, sondern lotet sein Ich in oft gegensätzlichen Projekten aus. Und doch bricht Costello vor unseren Augen und Ohren nicht auseinander, sondern bleibt, in seinen besten Augenblicken zumindest, ganz er selbst. Man mag das ein Wunder nennen, das sich einem nicht sofort erschließt. Man mag auch nicht begreifen, wie haarscharf sich Costello zwischen einem fast altbackenen Rockbegriff und dem süßen, experimentellen Duft von Freiheit und Anarchie bewegt, wie ein Konzert immer wieder von einer zur anderen Seite wechseln kann, nie linear, immer auf dem Sprung. Bis man ihn, den König Amerikas, im restlos ausverkauften Mousonturm bei einem seiner rar gewordenen Deutschland-Gastspiele hört.

Nach Frankfurt kommt Costello als Rocker. Zumindest dem ersten Anschein nach. Er hat die Imposters dabei, die auch sein neues Album (The Delivery Man, Lost Highway) mehr erweitern als grundieren, also Bass, Schlagzeug und Keyboards. Mit Costello teilen Pete Thomas, Steve Nieve und Davey Farragher ein gespaltenes Verhältnis zu Standardsounds, die sie mit Vorliebe nur als Folie etablieren, von der man sich bald absetzt. Manchmal indes wird so eine Folie auch ein paar Minuten lang vor sich her getragen, und dann klingt Costello seltsam alt und wie eingesperrt - Formatierungen sind seine Sache nicht. Oft rettet sich Costello dann in schiere Größe, das war schon immer auch sein Problem, dass ein Teil seines Ichs im Stadionchor enden wollte. Und dann helfen ihm weder die jazzaffinen Farben seiner Band noch die eigene virtuose Intellektualität, dann ist da ein Missverhältnis zwischen dem brüchig-sarkastischen Anstrich von Text und Stimme und der sonderbar stählernen Textur seiner Musik.

Aber wie immer bei Costello ist auch das nur eine Facette, die sofort wieder ihre Gegenseite zeigt. Denn kaum fühlt man sich unwohl im quadratischen Pathos und fragt sich nach der Haltbarkeit von Legenden, da wirft Costello alle festgefügten Formate über den Haufen, macht Musik, die wie ein Seismograph funktioniert: When I was cruel ist live eine enigmatische Erzählung, zerklüftet, befreit, angetrieben vom Geist des Experimentellen, der sich nach Offenheit sehnt und den Zwang von Strophe und Refrain nicht mehr ertragen kann.

Für sieben, acht famose Minuten ist Costello dann der König, von dem man immer erzählt bekam, der Sonderling, der sich dem schnellen Erfolg verweigert, der Mann, der Musik so sehr liebt, dass er sie auch gehen lassen kann. Fast möchte man das Größe nennen, wahre Größe vielleicht gar, aber das ist dann nun doch zu pathetisch. Nicht alles, nicht einmal eine Beschreibung Elvis Costellos, muss im Stadionchor enden.


Tags: MousonturmThe ImpostersThe Delivery ManPete ThomasSteve NieveDavey Faragher

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Frankfurter Rundschau, January 31, 2005


Tim Gorbauch reviews Elvis Costello with The Imposters on Sunday, January 30, 2005, Mousonturm, Frankfurt, Germany.

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2005-01-31 Frankfurter Rundschau photo 01.jpg
Photo uncredited

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