Elvis Costello und Bill Frisell durchforsten das „Jahrhundert des Lieds“.
Geschickt gewählt war der Eröffnungstermin der dritten Spielzeit der Ruhrtriennale - einen Tag nach der Entscheidung für Essen und das „Revier“ als nordrhein-westfälischem Bewerber für die Kulturhauptstadt Europas 2010. Es war eine bewegende Aufführung aktueller Musik in industriehistorischer Umgebung: das Zusammentreffen des Songwriters Elvis Costello mit dem herausragenden Jazzgitarre-Barden Bill Frisell aus Seattle. Dies alles bei einem großen europäischen Festival, das sich deutlich zunehmender Akzeptanz der Region erfreut. Schauplatz des Spektakels, das sich jeder künstlichen Dramatik entzog, war die Bochumer Jahrhunderthalle, die gigantische ehemalige Gaskraftzentrale des „Bochumer Vereins“, die im Herzen der Stadt in einer riesigen Brache steht.
Viele Assoziationen löste das scheinbar ungleiche Duo auf der Bühne aus. Da der populäre Star mit der eigenwilligen, unter die Haut gehenden Stimme; und dort der Spitzenkönner des Jazz, der sich vor Zeiten bei John Zorns New-York-Projekten als ein Protagonist der Avantgarde bewiesen hatte, sich aber nun auf entspannte Songs einließ. Die Liebe zum amerikanischen Songbook, die Frisell zur Hauptfigur der im vergangenen Jahr gestarteten Reihe „Century of Song“ gemacht hat, verbindet sie. Mit Marc Ribot, Suzanne Vega, Van Dyke Parks und Loudon Wainright III. konnte er das Publikum bereits von dieser Leidenschaft überzeugen. Seit Jahren trifft er sich gelegentlich mit Costello, hat mit ihm in London im Jahr 1995 eine CD eingespielt. Deren Repertoire führten die beiden nun mit unveränderter Emphase, aber auch mit neuen Akzenten und ergänzt um neue Songs auf.
Vordergründig schien es, als agiere Costello als Chef auf der Bühne, führte das Wort, versuchte sich im Dirigieren. Doch zu erleben war vor allem die Musik des immer freundlichen Bill Frisell, die ihre folkloristischen Quellen nicht verleugnete und auch in minimalistischen Gitarrenbeiträgen ihre große Kunst belegte. Seine Band, mit Musikern wie dem Trompeter Ron Miles hervorragend besetzt, schuf im Hintergrund einen großartigen und manchmal rauschhaften Sound. Auch die Rockfans kamen schließlich mit der Zugabe „South“ auf ihre Kosten, bei der Costello mit eigenen Gitarrengriffen den Ton angab.
Das Publikum war zufrieden, dass eine mutige Intendanz einen unprätentiösen und unterhaltsamen Abend mit höchst kunstvoll verpackten Songs genutzt hatte, um die neue Spielzeit zu eröffnen. Noch dreimal können die Kulturfreunde in Bochum und Essen den Songexperten Bill Frisell erleben, mit Rickie Lee Jones und Vic Chestnutt (25., 26. Juni), Ron Sexsmith und Jesse Harris (9., 10. Juli) und mit Petra Haden (16. Juli), mit der er dann noch einmal durch alle seine Lieblingssongs führt.
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