Musikexpress, August 1982

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Musikexpress

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Imperial Bedroom

Elvis Costello

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   Bernd Matheja

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Elvis Costello baut die Bretter, die andere vor dem Kopf haben, um daran ihre Duftmarken "Schlager", "Tanzmusik" und ähnliche verbale Hilflosigkeiten anzupinnen. Elvis Costello ist wieder voll da. Nicht im Juhnke'schen Sinne, sondern mit vollen 50 Minuten Musik voller ausgereifter, einfach-bemerkenswerter Kompositionen, die ihm offenbar nie ausgehen.

Obwohl zu unterschiedlichen Zeiten zum Marsch in die Schlagzeilen gestartet, habe ich die Herren Parker, Costello und Jackson immer irgendwie als kreative Troika einer fortschreitenden Club-Musik betrachtet. Parker befindet sich inzwischen auf einem down escalator, Jackson hängt (möglicherweise) seine Fahne in den Trend-Wind. Und Elvis? Der kommt so gut wie in den Tagen der glorreichen "Alison," nur noch erfahrener, noch innovativer — er ist unbestreitbar einer der gescheitesten Songwriter der Rock-oder-sonstwas-Gegenwart. Seine Handschrift liest du aus 999 anderen mühelos heraus; auch wenn da sporadisch ein paar Dylan-Ünien auftauchen ("Man Out Of Time", das paßt...), ein Bar-Schieber von anno Leipzig/Einundleipzig verarbeitet wird ("Almost Blue") und der Meister auch seinen eigenen Fundus nicht unangetastet läßt (aber was wäre man schon ohne sich selbst...?!).

Jedem Songschreiber, der kaltlächelnd die von Industrie und Medien gedrechselten Schubladen umgeht,sollten wir dankbar sein. Ein KAISERLICHES SCHLAFZIMMER, in dem ein unüberschaubares Heer von Rock-Emporkömmlingen allenfalls die Berechtigung einer Fußleiste hätte.

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Unrasiert und fern der Heimat: Nick Lowe


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   Steve Lake

Die Höhen und Tiefen eines Lebens für den Rock 'n' Roll hat er ausgiebig kennengelernt. Seinen (Galgen) Humor hat sich Nick Lowe trotzdem bewahrt. Steve Lake traf den sturmerprobten Rock-Recken an einem Brennpunkt des Weltgeschehens: der Place Pigalle in Paris.

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Da war‘n wir also in Paris. Im Herzen von Henry Millers altem Revier Place Pigalle, Boulevard de Clichy. Seit Millers Hoch-Zeiten hat sich die Gegend sicher ein wenig verändert, aber ihre Existenzberechtigung besteht nach wie vor: Soweit das Auge reicht Oben-ohne-Bars. Unten-ohne-ars, Stripschuppen, Sex-Shops, hellerleuchtet vom betäubenden Schein flackernden Neons. Die Fotos in den Schaukästen der „Live Shows“ versprechen einen Reigen nackter Männer und Frauen, ineinander verknotet bei dem ursprünglichen schöpferischen Akt. Die Straßen sind burnsvoll von Nutten – in Hauseingängen, auf Kühlerhauben sitzend. Sex a-Go-Go ringsum. Eben erst in dieser Oase der Lust eingetroffen, fühlen sich Nick Lowe And His Noise To Go sie Kinder zu Weinachten. Zumindest für ein paar Stunden...

Also ich rauf mit ihr, die Treppe hoch“, erzählt Drummer Bobby Irwin am nächsten Tag in einer holzgetäfelten Bar in der Rue Frochot. „Ein toller Vogel, sag‘ ich euch, wie Diana Ross mit Titten. Und sie runter die Klamotten und lacht mich an. Große braune Augen in diesem schönen, geheimnivollen Gesicht. Ich war im siebenten Himmel.... was war ich für ein Glückspilz! Dann zieht si den Slip runter und – ich starre auf diesen riesigen Schwanz! Es war ein KERL! Ich konnte es nicht glauben...!

Die Band bricht in schallendes Gelächter aus. „Hast du ihm/ihr was bezahlt?“, fragt Manager Jake Riviera, der seine 1965er Dylan-Sonnenbrille abnimmt, um sich eine Träne wegzuwischen.

Erneutes Gelächter, als Irwin rot wird und Riviera – der Mann von Welt, ihr versteht – erklärt, daß diese Ecke von Paris momentan von brasilianischen Tranvestiten überflutet ist. „Erstaunlich, daß die nicht öfter den Arsch voll kriegen“, sinniert er, „aber andererseits ... vielleicht wollen sie ja gerade das.

Jake schaut zur Uhr – teures Stück, Marke superflach, Diamanten-besetzt – die er aus San Francisco hat. „Soundcheck“, stellt er fest, und wir folgen ihm nach draußen zum (natürlich) arg ramponierten Ford Transit. Am Steuer der riesige, stämmige Gitarrist Martin Belmont, daneben Nick Lowe und der Rest von uns gestapelt im Rückraum: Bassist James Eller (Nick selbst spielt in die ser Band nur Rhythmusgitarre), der ehemalige Squeeze-Sänger und -Pianist Paul Carrack, Bobby Irwin, Jake Riviera und ich. Ein Gefühl, als wäre man mit einer Vaudeville-Truppe unterwegs.

Lowe, Schwiegersohn von Johnny Cash, lehnt sich aus dem Fenster und brüllt, den englischen Verteidigungsminister Pym grotesk imitierend: „Weg da! Weg frei! Weg da, die Briten kommen!

Währenddessen liegt mir Jake unentwegt mit irgendwelchem Gerede über die Eßgewohnheiten. ‚Er ißt nur Süßes. Im Restaurant fragt er: ‚Hm ... haben Sie Bananen? Und der Ober stöhnt auf und antwortet: ‚Ja, Sir, wir haben Bananen‘. ‚Und haben Sie auch Sahne?‘ ‚Ja, Sir, wir haben auch Sahne‘. ‚Gut, können Sie das irgendwie verrühren und schön mit Zucker überstreuen?‘“.

Seltsamerweise ist James das einzige Bandmitglied mit jener traditionell-englischen. Dünn-wie-die-Bohnenstange-Popstar-Figur. Die anderen haben alle schon bessere Zeiten erlebt. Aus der Nähe betrachtet, sieht beispielweise Nick Lowe mehr als nur ein wenig sturmerprobt aus. Make-up aus der Tube, Doppelkinn und mit reichlich grauen und weißen Strähnen im Blondhaar, blinzelt er in den Spiegel im Umkleideraum des Theatre Le Palace: ‚Mein Gott, seh’ ich heute wieder alt aus...!

Dann nimmt er einen schmierigen Teller mit Hü hnerfleisch in Angriff und spült mit einigen großzügig bemessenen Schlukken Wodka nach. „Donnerschlag – Mörder-Zeugs, oder? Ich hab schon fast einen in der Krone.

Diese Erkenntnis verleitet ihn erstmal dazu, eine halbe Stunde lang Sauf-Anekdoten zum Besten zu geben. Nach Gin, so fährt er fort, müsse er immer heulen – aber erst Whisky ...! ,Whisky, das ist sehr seltsam. Ich merke gar nicht, daß ich schon besoffen bin. Ich kann dann auf irgendeiner Party sein, mit jemandem nett und freundlich parlieren – ‚Ja, ja, hochinteressant. Ich bin dankbar daß Sie mir das erzählt haben‘ – und plötzlich, rrrumms! Schon hat die Person voll eins an die Glocke gekriegt! Ohne jeden Grund...!

Einige Leute von der Band und der Crew stecken ihre Köpfe zur Tür hinaus, um uns dann zu eröffnen, daß tatsächlich Schlangen auf den Einlaß warten. Nick klatscht vor Freunde in die Hände. Super! Denn quer durch ganz Europa war Noise To Go vom Geist der Rolling Stones verfolgt worden, die, so schien es, zumindest in der Nähe jeder Stadt gespielt haben müssen, die an der Wegstrecke der Lowe-Band lag. Und nach 40 DM für ein bißchen betagten Pubrock auszugeben?

In England“, sagt er, „ist es inzwischen genauso mies wie überall sonst auch. Es scheint, als gebe es nur noch zwei Kategorien Bands in ganz Britannien. Nier die Megastars, dort die lokalen Gruppen. Dazwischen ise ein Vakuum, selbst für Bands, die einige Top 20-Hits hatten. Die Kids haben ja gar kein Interesse mehr an Live-Gigs. Wie meine Stieftochter – die steht auf Toyah, und ich bin sicher, daß sie und ihre Freunde viel lieber irgendwelches Playback-Gemime sehen. Ist ja auch eine großartige Idee. Keine unfreundlichen Roadies. Keine nervtötenden, besoffenen Schlagzeuger.

Nick sagt dies im Spaß, aber in diesem Humor steckt durchaus eine Spur Verbitterung . Etwas, das ich auch manchmal in seinen Songs entdecke. Oftmals, wie auf dem neuen Album Nick The Knife, ist es schwierig. Lowes genauen Standpunkt zu lokalisieren. Gut die Songs sind „witzig, aber sind die Referenzen an die alten Stilformen parodistisch gemeint oder echte Liebhaberei? Ist es Zynismus, daß die Buddy Holly-Nummer „Heart Beat“ als Nick Lowe „Komposition“ namens „Heart“ erscheint? Oder soll das eine Art von Anerkennung sein? Und was ist mit „One’s Too Many (And A Hundred Ain’t Enough)“, das wie eine Imitation der Dire Straits klingt, wenn sie J.J. Cale imitieren?? Letzlich Zeugnissed eines sehr verfeinerten Sinnes für Humor. Nick Lowe war nicht immer dermaßen kompliziert – und schon gar nicht, als Brinsley Schwarz (nach Kippington Lodge die zweite Band, in der er mitwirkte/ Red.) erste Gehversuche als leicht-lockere Country Rock-Band unternahm.

In jenen Tagen waren wir konkreter beeinflußt z.B. von Leuten wie The Band. Aber das bedeutete auch, daß ich meine Zeit damite verbracht habe, ein neues ‚Rag Mama Rag‘ schreiben zu wollen. Heute sehe ich diese Jahre ausschließlich als Lernphase. Noch immer bin ich von gewissen Dingen beeinflußt – und, ehrlich gesagt, ich klaue auch mal – aber anstatt einen Rockabilly-Song zu komponieren, denke ich mire lieber einen Rockabilly-Gitarrenlauf aus, stelle ihn gegen eine Tamla-Basslinie und ein Heavy Rock-Schlagzeug. Mir gefällt es, Stile zusammenzumixen.

Ich habe mir früher zu starre Richtlinien auferlegt. Und ich kann mich noch daran erinnern, daß ich regelrecht perplex war, wenn mir irgendein poppiger Song durch den Kopf ging: ‚Hilfe! Ich bin im Begriff, einen Pop-Song zu schreiben!!

Heute dagegen ist’s mir ziemlich egal, was aus mir raus will. Meine einzige Qualitätskontrolle besteht darin, daß ich von dem, was mir so beim Träumen durch den Kopf geht, überhaupt noch etwas zu Papier bringen kann. Manchmal sind die Songs okay, dann wieder nicht. Aber man kann ja nicht ständig auf Ölstoßen. Und wie jeder andere auch, trockne ich von Zeit zu Zeit ideenmäßig aus, doch habe ich zumindest gelernt, nicht gleich durchzudrehen. So viele Leute geraten dermaßen in Panik, daß sie als Folge ein ganzes Album aus einer halben Idee rausquetschen“.



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Tags: Imperial BedroomMan Out Of TimeAlmost BlueGraham ParkerJoe JacksonAlisonBob Dylan


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Bernd Matheja reviews Imperial Bedroom.


Steve Lake profiles Nick Lowe.

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