Ein Rad regierte die Bühne des Kongresshauses – Elvis Costellos Spectacular Spinning Songbook (die Idee stammt aus den 1980er Jahren). Während Kollegen neuste Lieder und Greatest Hits zu einem Repertoire zu komponieren pflegen, präsentierte der 57-jährige Singer/Songwriter am Montag lediglich diese Song-Auswahl. Frauen und Männer aus dem Publikum durften dann am Rad drehen. Und wenn es wieder zu stehen kam, zeigte ein Pfeil auf den Titel, den der Sänger und sein Begleittrio The Imposters zu intonieren hatten.
Atemlos
Zuerst allerdings waren die Musiker ohne «Spectacular Spinning Songbook» ausgekommen. In rascher Folge spielten sie zunächst «Hope Your Happy Now», «Heart Of The City», «Mistery Dance», «Radio Radio». Die Begleiter knüppelten und knebelten, während der Maestro atemlos durch die Strophen hetzte – gerade so, als hätte er diese Lieder schon viel zu lange in der Seele herumgetragen. Wahrscheinlich aber brauchte Costello einfach eine erste Phase des Einsingens, damit die Bänder seines metallisiert anmutenden Stimmorgans weicher wurden und geschmeidiger. Der harsche Gesang – er war das Faszinosum des Abends, obwohl oder gerade weil er nicht immer überzeugte und manchmal in Heiserkeit zu ersticken drohte. In Costellos Stimme konkurrieren verschiedene Impulse und Mächte: Gross geworden mit Punk und New Wave, setzt der Brite einerseits immer wieder auf Rotzigkeit und auf persiflierende Posen. Andrerseits hat er eine Affinität zur Jazz-Phrasierung sowie zur authentischen Emotionalität des Folk.
Solche widerstreitenden Kräfte offenbarten sich auch in der Konzert-Dramaturgie. Mit dem Song-Rad machte Costello auf Kasino und Vaudeville. Damit die Atmosphäre nur ja nie unter verkrampfter Aufmerksamkeit, zu viel Respekt oder Kunstsinn litt, ergänzte er seine 170-minütige Show noch durch den «Song-Hammer» – eine Art Lieder-Hau-den-Lukas sowie durch das Go-Go-Cage, wo sich nicht nur eine Tänzerin produzieren durfte, sondern auch jene Zuhörer und Zuhörerinnen, die zuvor am Rad Schicksal gespielt hatten. Costello setzte sich dabei immer wieder grossartig als schmieriger und launiger Conférencier in Szene. Dieser Star glänzt ja durch Eitelkeit und Arroganz, durch Zynismus und nerdige Beflissenheit; schlimmer noch: Er scheint sehr intelligent und musikalisch hochbegabt. Solche Hypothek aber verbarg er live nun durch Komödianten-Charme und so viel Understatement, dass es eine Freude war – obgleich seine Kunst prompt darunter zu leiden hatte.
Hochkultur
Das Schicksal des Rades wollte es, dass das Menu durch härtere, rockige Nummern wie «Turpentine» und «Pump It Up» dominiert wurde. Costellos gesangliche Schludrigkeit, die hier angebracht sein mochte, stand dann der expressiven Kür in Balladen wie «She» oder «I Want You» im Wege: Das Vibrato, die Koloraturen, die jazzige Phrasierung, die Costello in sanfteren Stimmungen charakterisieren, kamen nicht zur Geltung; deshalb wohl setzte er fast etwas hilflos auf übertriebene Echo-Effekte. Schon wollte man sich also mit Witz und munterer Unterhaltung zufriedengeben, da sorgte er doch noch für Ausflüge in die Hochkultur. Im balladesken Bänkelgesang von «Jimmie Standing In The Rain» etwa brillierte er durch Virtuosität und packende Dynamik.
Zürich, Kongresshaus, 4. Juni.
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