30 Jahre „Zeitkultur im Hafen“ feierte der Linzer Posthof am Nationalfeiertag mit einem, der kürzlich genau doppelt so alt geworden ist — und 1984 der vielleicht größte Star der damals angesagtesten Pop-Richtung namens „New Wave“ war:
Elvis Costello. Der Posthof sei „aus einer Kulturbewegung in der Stadt hervorgegangen, immer noch ein politisches Statement der Stahlstadtkinder und symbolisiere den seinerzeitigen Aufbruch in Linz“, meinte Bürgermeister Klaus Luger (SP) in seiner Festrede.
Kurz: Er sei progressiv wie weiland Elvis Costello, den die Gnade der späten Tour (jahreszeitlich gesehen) einen Tag nach seinem Auftritt im Wiener Burgtheater erneut ans Ufer der Donau schwemmte. Dorthin, wo 1923 der Rock 'n' Roll erfunden worden war, wie der englische Singer-Songwriter flunkerte, nur hätte sich dieser in Linz nicht durchsetzen können und sei per Flaschenpost nach New Orleans gelangt — „the rest is tragedy“.
Der bald Pensionsberechtigte geht nicht, er sprintet am Sonntagabend förmlich auf die Bühne des ausverkauften Großen Saals. Kassenbrille, weißer Hut und dunkelgrauer Anzug von der Stange, dazu giftgrüne Socken und rote Schuhe:
Declan MacManus, der sich nach „King“ Presley Elvis und nach seiner Mutter Costello nennt, wirkt auf den ersten Blick wie einer jener Alleinunterhalter aus den 60er-Jahren, mit denen sein Vater, auch er schon Musiker, einst auftrat. Wie ein witziges, an Woody Allen erinnerndes Männchen, zu dem das raue Timbre seiner herben Stimme so gar nicht passen mag.
Zweistündige Werkschau über fast vier Jahrzehnte
Und wie ein Zauberkünstler, wenn er bisweilen die Hände von der umgehängten E-Gitarre nimmt, die offenen Handflächen Richtung Publikum zeigt und es trotzdem weiter klingt — das ist Magie, Hall und Rückkopplung sei Dank.
Auch einen „Special Guest“ kann er an diesem Soloabend ohne Band begrüßen: sich selbst. Das ist aber mehr als genug, denn auf der Bühne stehen nicht nur sechs Gitarren und ein Klavier bereit, sondern auch ein Songbook mit 400 selbst geschriebenen Liedern über Liebe, Lügen, Träume und Betrug. Zwei Stunden lang ist Costello „On Air“, wie ein Leuchtschild verkündet. Und fast alle, die an diesem traumhaften Abend gebannt seiner dreieinhalb Jahrzehnte umspannenden Werkschau zwischen Pop, Punk und Vaudeville lauschen, hätten diese auch schon vor 30 Jahren besuchen können — Altersschnitt: 50 plus. Von der ersten Hitsingle „Watching the Detectives“ (1977), deren clevere Wortspiele zum Markenzeichen wurden; über die unplugged intonierte Powerballade „Allison“ aus dem ersten Album „My Aim Is True“ desselben Jahrs oder den einzig nennenswerten Hit in den USA („Veronica“) bis zur Schnulze „She“ aus der Filmromanze „Notting Hill“ mit Julia Roberts und Hugh Grant (1999).
Bei Costello kann jeder Song klingen wie das Ende der Welt. Oder wie ein neuer Anfang.
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