Rolling Stone Germany, June 1995: Difference between revisions

From The Elvis Costello Wiki
Jump to navigationJump to search
(Create page for Rolling Stone Germany profile of Elvis)
 
(fix scan errors and add tags)
Line 11: Line 11:
<center> {{mm}} Wolfgang Doebeling </center>
<center> {{mm}} Wolfgang Doebeling </center>
----
----
{{scanx}}
'''Auf dem neuen Album ''Kojak Variety'' versammelt Costello Lieblingslieder aus vier Jahrzehnten: unbekanntere Songs von Bob Dylan, Randy Newmann und Ray Davies, auch sehr private Favoriten. Eine Bestandsaufnahme.  
'''Auf dem neuen Album ''Kojak Variety'' versammelt Costello Lieblingslieder aus vier Jahrzehnten: unbekanntere Songs von Bob Dylan, Randy Newmann und Ray Davies, auch sehr private Favoriten. Eine Bestandsaufnahme.  
{{Bibliography text}}
{{Bibliography text}}
Er Sei stets derselbe und sich treu gebleiben, beteuert Elvis Costello gern. Mag sein, doch was sich ganz allmählich gewandelt hat, ist sein Verst:andnis von Musik und damit das Koordi-nationssystem, in dem seine Musik entsteht. Es ist weniger der Umstand, daB er seit seiner Ex-kursion in die Kammermusik mit dem Brodsky Quartet gelernt hat, Musik zu lesen und aufzu-schreiben, oder der nicht zu leugnende EinfluE seiner vielen neuen Klassik-beflissenen Freunde. Er haBt Puccini und liebt Purcell - wie man die Beach Boys liebt und die Bee Gees haBt. Fein.  
Er sei stets derselbe und sich treu gebleiben, beteuert Elvis Costello gern. Mag sein, doch was sich ganz allmählich gewandelt hat, ist sein Verständnis von Musik und damit das Koordinationssystem, in dem seine Musik entsteht. Es ist weniger der Umstand, daB er seit seiner Exkursion in die Kammermusik mit dem Brodsky Quartet gelernt hat, Musik zu lesen und aufzuschreiben, oder der nicht zu leugnende Einfluß seiner vielen neuen Klassik-beflissenen Freunde. Er haßt Puccini und liebt Purcell - wie man die Beach Boys liebt und die Bee Gees haßt. Fein.  


Die Griinde und Begriindungen fiir Costellos musikalische Vorlieben und Abneigungen haben indes zuweilen seltsame Kapriolen geschlagen. Ein Lernprozef mit oft ganz unnotigen Hin-dernissen, der noch in vollem Gange ist. Das Bild, das er sich von Musik macht, ist noch mystisch und schon pragmatisch. Technische Fertigkeiten bei Musikern hat Elvis friiher nur aus der Ferne bewundert, als Schuljunge Declan, den Yater Ross McManus zu seinen Big Band-Verpflicht¬ungen mitschleppte, als aktives Mitglied des Beatles-Fanclubs und dann als hoffuungsvoller Folkie in Londoner Clubs.  
Die Gründe und Begründungen für Costellos musikalische Vorlieben und Abneigungen haben indes zuweilen seltsame Kapriolen geschlagen. Ein Lernprozeß mit oft ganz unnötigen Hindernissen, der noch in vollem Gange ist. Das Bild, das er sich von Musik macht, ist noch mystisch und schon pragmatisch. Technische Fertigkeiten bei Musikern hat Elvis früher nur aus der Ferne bewundert, als Schuljunge Declan, den Vater Ross McManus zu seinen Big Band-Verpflichtungen mitschleppte, als aktives Mitglied des Beatles-Fanclubs und dann als hoffuungsvoller Folkie in Londoner Clubs.  


Auch der Schuld-und-Suhne-Elvis, der ganz zu Unrecht zum Punk erkorene angry young man begriffMusik noch als unmittelbaren Ausdruck, als vergleichsweise anspruchsloses Transport-mittel fiir Gefilhle und als Tunnel filr entspre-chend schlanke Visionen. Das Stax-Tribut ,,Get Happy!" und die Nashville-Hommage ,,Almost Blue" begannen das nachhaltig zu verandern.
Auch der Schuld-und-Sühne-Elvis, der ganz zu Unrecht zum Punk erkorene ''angry young man'' begriffMusik noch als unmittelbaren Ausdruck, als vergleichsweise anspruchsloses Transportmittel für Gefilhle und als Tunnel für entsprechend schlanke Visionen. Das Stax-Tribut "''Get Happy!''" und die Nashville-Hommage "''Almost Blue''" begannen das nachhaltig zu verändern.
   
   
Zuerst, dann unschuldig, indem sie zu verglei-chenden Studien Anlaf gaben. Der Aufklarung mit all ihren halslichen, Neid erregenden Impli-kationen folgten musikalische Anstrengungen, die wohl noch nicht in Abgeklartheit oder gar Zynismus milnden, die Costellos Musik jedoch reglementieren, einengen, formatisieren. Er zielt zu hoch, eilt als sein eigener unerbittlicher Kri-tiker seiner Musik voraus. Im Pantheon der grolsen Songschmiede, das immerhin weill er, sitzt er langst.  
Zuerst, dann unschuldig, indem sie zu vergleichenden Studien Anlaß gaben. Der Aufklärung mit all ihren häßlichen, Neid erregenden Implikationen folgten musikalische Anstrengungen, die wohl noch nicht in Abgeklärtheit oder gar Zynismus münden, die Costellos Musik jedoch reglementieren, einengen, formatisieren. Er zielt zu hoch, eilt als sein eigener unerbittlicher Kritiker seiner Musik voraus. Im Pantheon der großen Songschmiede, das immerhin weiß er, sitzt er längst.  


Nicht, daB ihm dieser Platz streitig gemacht wilrde. Doch Costello mauert trotzdem, und man kann sich bisweilen des Eindrucks nicht er-wehren, daB unter all diesen Bausteinen mit so klangvollen Namen wie Chet Baker, Hal Willner, George Jones, die Elvis in diesen letztenJahren so kunstvoll aufgetilrmt hat, er selbst begraben wird. Elvis pur hat es schon lange nicht mehr gegeben, immer nur Costello/Bennett, Costello/ McCartney, Costello/Dylan. Zwischen ,,Blood And Chocolate" und ,,Brntal Youth" liegen acht Jahre. Viele andere Projekte sind Kollabo-rationen.
Nicht, daß ihm dieser Platz streitig gemacht würde. Doch Costello mauert trotzdem, und man kann sich bisweilen des Eindrucks nicht erwehren, daß unter all diesen Bausteinen mit so klangvollen Namen wie Chet Baker, Hal Willner, George Jones, die Elvis in diesen letzten Jahren so kunstvoll aufgetürmt hat, er selbst begraben wird. Elvis pur hat es schon lange nicht mehr gegeben, immer nur Costello/Bennett, Costello/ McCartney, Costello/Dylan. Zwischen "''Blood And Chocolate''" und "''Brutal Youth''" liegen acht Jahre. Viele andere Projekte sind Kollaborationen.
   
   
Andererseits: So sehr seine eigene Musik Schaden nehmen mag durch seine oft kom-pulsiven Erkundungen und Feldstudien - das so angehaufte Wissen ist immens und macht Gesprache mit ihm zu einem ausge-sprochenen Vergnilgen, selbst dann, wenn er ungehalten ist, weil man seiner Sicht der Dinge nicht zu folgen vermag. Wie seine besten Songs, kann seine Konversation se-zieren und Gift verspritzen, Und sie kann eindrucksvoll vermitteln, daB hinter all dem kenntnisreichen Parlieren sein ursprilnglicher Impetus noch intakt ist: seine Liebe zur Musik, egal ob zu Artur Schnabel, zu Count Basie oder zu Roy Orbison.  
Andererseits: So sehr seine eigene Musik Schaden nehmen mag durch seine oft kompulsiven Erkundungen und Feldstudien - das so angehäufte Wissen ist immens und macht Gespräche mit ihm zu einem ausgesprochenen Vergnügen, selbst dann, wenn er ungehalten ist, weil man seiner Sicht der Dinge nicht zu folgen vermag. Wie seine besten Songs, kann seine Konversation sezieren und Gift verspritzen. Und sie kann eindrucksvoll vermitteln, daß hinter all dem kenntnisreichen Parlieren sein ursprünglicher Impetus noch intakt ist: seine Liebe zur Musik, egal ob zu Artur Schnabel, zu Count Basie oder zu Roy Orbison.  


Das neue Costello-Album entstand bereits vor vier Jahren in Barbados. ,,Kojak Wiriety" hat er das Album genannt, doch sollen die Grilnde filr den Titel im Dunkeln bleiben. Die Leute und speziell seine Fans, sagt er, lieben es, solche Ratsel zu losen, und er mochte ihnen dabei nicht den SpaB verderben. Nicht mehr viel zu recherchie¬ren gibt es allerdings bezilglich der Songs, die Costello covert. Ganz der versierte Platten-  
Das neue Costello-Album entstand bereits vor vier Jahren in Barbados. "''Kojak Variety''" hat er das Album genannt, doch sollen die Gründe für den Titel im Dunkeln bleiben. Die Leute und speziell seine Fans, sagt er, lieben es, solche Rätsel zu losen, und er möchte ihnen dabei nicht den Spaß verderben. Nicht mehr viel zu recherchieren gibt es allerdings bezüglich der Songs, die Costello covert. Ganz der versierte Platten-  


{{rttc}}
{{rttc}}
{{cx}}
{{cx}}
 
{{tags}}[[Kojak Variety]] {{-}} [[Bob Dylan]] {{-}} [[Randy Newman]] {{-}} [[Ray Davies]] {{-}} [[Brodsky Quartet]] {{-}} [[The Beach Boys]] {{-}} [[Ross MacManus]] {{-}} [[The Beatles]] {{-}} [[Get Happy!!]] {{-}} [[Almost Blue]] {{-}} [[Chet Baker]] {{-}} [[Hal Willner]] {{-}}  [[George Jones]] {{-}} [[Tony Bennett]] {{-}} [[Paul McCartney]] {{-}} [[Blood & Chocolate]] {{-}} [[Brutal Youth]] {{-}} [[Count Basie]] {{-}} [[Roy Orbison]]
{{cx}}




Line 57: Line 56:
<br><br>
<br><br>


{{cx}}
 
{{cx}}


{{Bibliography notes footer}}
{{Bibliography notes footer}}

Revision as of 12:55, 21 February 2021

... Bibliography ...
727677787980818283
848586878889909192
939495969798990001
020304050607080910
111213141516171819
202122232425 26 27 28


Rolling Stone Germany

Germany publications

Newspapers

Magazines

Online publications


European publications

-

Auf Durchreise

Elvis Costello's Expedition in die Geschichte des Songs

translate
   Wolfgang Doebeling

Auf dem neuen Album Kojak Variety versammelt Costello Lieblingslieder aus vier Jahrzehnten: unbekanntere Songs von Bob Dylan, Randy Newmann und Ray Davies, auch sehr private Favoriten. Eine Bestandsaufnahme.

Er sei stets derselbe und sich treu gebleiben, beteuert Elvis Costello gern. Mag sein, doch was sich ganz allmählich gewandelt hat, ist sein Verständnis von Musik und damit das Koordinationssystem, in dem seine Musik entsteht. Es ist weniger der Umstand, daB er seit seiner Exkursion in die Kammermusik mit dem Brodsky Quartet gelernt hat, Musik zu lesen und aufzuschreiben, oder der nicht zu leugnende Einfluß seiner vielen neuen Klassik-beflissenen Freunde. Er haßt Puccini und liebt Purcell - wie man die Beach Boys liebt und die Bee Gees haßt. Fein.

Die Gründe und Begründungen für Costellos musikalische Vorlieben und Abneigungen haben indes zuweilen seltsame Kapriolen geschlagen. Ein Lernprozeß mit oft ganz unnötigen Hindernissen, der noch in vollem Gange ist. Das Bild, das er sich von Musik macht, ist noch mystisch und schon pragmatisch. Technische Fertigkeiten bei Musikern hat Elvis früher nur aus der Ferne bewundert, als Schuljunge Declan, den Vater Ross McManus zu seinen Big Band-Verpflichtungen mitschleppte, als aktives Mitglied des Beatles-Fanclubs und dann als hoffuungsvoller Folkie in Londoner Clubs.

Auch der Schuld-und-Sühne-Elvis, der ganz zu Unrecht zum Punk erkorene angry young man begriffMusik noch als unmittelbaren Ausdruck, als vergleichsweise anspruchsloses Transportmittel für Gefilhle und als Tunnel für entsprechend schlanke Visionen. Das Stax-Tribut "Get Happy!" und die Nashville-Hommage "Almost Blue" begannen das nachhaltig zu verändern.

Zuerst, dann unschuldig, indem sie zu vergleichenden Studien Anlaß gaben. Der Aufklärung mit all ihren häßlichen, Neid erregenden Implikationen folgten musikalische Anstrengungen, die wohl noch nicht in Abgeklärtheit oder gar Zynismus münden, die Costellos Musik jedoch reglementieren, einengen, formatisieren. Er zielt zu hoch, eilt als sein eigener unerbittlicher Kritiker seiner Musik voraus. Im Pantheon der großen Songschmiede, das immerhin weiß er, sitzt er längst.

Nicht, daß ihm dieser Platz streitig gemacht würde. Doch Costello mauert trotzdem, und man kann sich bisweilen des Eindrucks nicht erwehren, daß unter all diesen Bausteinen mit so klangvollen Namen wie Chet Baker, Hal Willner, George Jones, die Elvis in diesen letzten Jahren so kunstvoll aufgetürmt hat, er selbst begraben wird. Elvis pur hat es schon lange nicht mehr gegeben, immer nur Costello/Bennett, Costello/ McCartney, Costello/Dylan. Zwischen "Blood And Chocolate" und "Brutal Youth" liegen acht Jahre. Viele andere Projekte sind Kollaborationen.

Andererseits: So sehr seine eigene Musik Schaden nehmen mag durch seine oft kompulsiven Erkundungen und Feldstudien - das so angehäufte Wissen ist immens und macht Gespräche mit ihm zu einem ausgesprochenen Vergnügen, selbst dann, wenn er ungehalten ist, weil man seiner Sicht der Dinge nicht zu folgen vermag. Wie seine besten Songs, kann seine Konversation sezieren und Gift verspritzen. Und sie kann eindrucksvoll vermitteln, daß hinter all dem kenntnisreichen Parlieren sein ursprünglicher Impetus noch intakt ist: seine Liebe zur Musik, egal ob zu Artur Schnabel, zu Count Basie oder zu Roy Orbison.

Das neue Costello-Album entstand bereits vor vier Jahren in Barbados. "Kojak Variety" hat er das Album genannt, doch sollen die Gründe für den Titel im Dunkeln bleiben. Die Leute und speziell seine Fans, sagt er, lieben es, solche Rätsel zu losen, und er möchte ihnen dabei nicht den Spaß verderben. Nicht mehr viel zu recherchieren gibt es allerdings bezüglich der Songs, die Costello covert. Ganz der versierte Platten-



Remaining text and scanner-error corrections to come...


Tags: Kojak VarietyBob DylanRandy NewmanRay DaviesBrodsky QuartetThe Beach BoysRoss MacManusThe BeatlesGet Happy!!Almost BlueChet BakerHal WillnerGeorge JonesTony BennettPaul McCartneyBlood & ChocolateBrutal YouthCount BasieRoy Orbison


-

Rolling Stone Germany, June 1995


Wolfgang Doebeling profiles Elvis Costello following the release of Kojak Variety.

Images

File:1995-06-00 Rolling Stone Germany page 54.jpg
Page scan.

File:1995-06-00 Rolling Stone Germany page 55.jpg
Page scan.

1995-06-00 Rolling Stone Germany page 56.jpg
Cover.

1995-06-00 Rolling Stone Germany page 49 clipping.jpg
Advertisement.




-



Back to top

External links