Rolling Stone Germany, November 2018: Difference between revisions

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Rolling Stone Germany

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Mann Ohne Zeit


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   Maik Brüggemeyer

Als er an seinem ersten Album unter eigenem Namen seit acht Jahren arbeitete, erhielt Elvis Costello eine Krebs-diagnose. Kein Grund auzugeben.

Bob Dylan hatte sein album "Time Out Of Mind" bereits aufgenommen, als er im Mai 1997 mit einer lebensbedrohlichen Herzbeutelinfektion ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Er war sich sicher, dass er bald an die Himmelstür klopf-klopf-klopfen und Elvis Presley ihm öffnen wurde. Als das Werk vier Monate später erschien, klang es tatsächlich wie ein unheimliches, aus dem Jenseits diktiertes Vermächtnis und wurde aller-orten als Rückkehr aus dem Grab der Inspirationslosigkeit gefeiert, als Beginn des künstlerisch wertvollsten Comebacks der Geschichte.

Als Elvis Costello im vergangenen Winter einen Anrufvon seinem Arzt bekam, der ihm erklärte, er habe einen kleinen, aber sehr a ressiven bösartigen Tumor bei ihm entdeckt, arbeitete der Songwriter gerade in den Electric-Lady-Studio in New York an letzten Arrangements für ein neues Album. Und wenn man "Look Now", das Mitte Oktober erschien, nun hört, kommt einem der Gedanke, dass auch er schon vor dieser Schocknachricht gesehen haben muss, wie der Tod einen Parkplatz suchte, um dann mal kurz anzuklingeln. Denn dieses Album klingt wie eine Lebensbilanz - oder eine Greatest-Hits-Sammlung ohne die Hits, dafur aber mit einigen Songs, die seit Jahrzehnten darauf gewartet haben, endlich aufgenommen zu werden: "Burnt Sugar Is So Bitter" etwa, das er 1995 mit Carole King schrieb, oder "Unwanted Number", das 1996 im Soundtrack der von Kings Leben inspirierten romantischen Komodie "Grace Of My Heart" in einer Version der Girl-group For Real auftauchte. Klassische Popsongs. Aus der Zeit gefallen. Nun aufgehoben für "Look Now". Ein so fokussiertes und auf seltsame Weise dringliches Album hat Costello schon seit sehr langer Zeit nicht mehr veröffentlicht - ja, genau genommen hat er schon seit sehr langer Zeit überhaupt kein Album mehr veröffentlicht.

"Ich habe 2010 aufgehört, unter meinem eigenen Namen Platten zu machen", sagt der 64-Jährige, der sich am Tag unseres Interviews in einem Londoner Hotel ,,gut, aber nicht großartig" fühlt und sich noch von der erfolgreichen OP erholt. Aber über seine Krankheit mag er nicht weiter reden. "Ich habe meinen Lebensunterhalt damit verdient, aufzutreten und Platten zu machen", fährt er fort. "Als das mit den Platten finanziell weniger wichtig wurde, habe ich mir gedacht, ich bin weniger egoistisch und gehe lieber auf Tour, statt im Studio Geld auszugeben."

Die Zusammenarbeit mit den Roots, "Wise Up Ghost" (2013), und die Vertonung alter Bob-Dylan-Texte mit Marcus Mumford, Jim James, Taylor Goldsmith und Rhiannon Giddens fur die "New Basement Tapes" kamen danach eher zufallig zustande - Ausnahmen, die seinen Entschluss nur bestatigten, und so klingen sie auch. Doch dann kam die Anfrage einer Film-firma, ob er nicht einen Song für den Soundtrack zu Paul McGuigans "Film Stars Don't Die In Liverpool" mit Annette Bening in der Hauptrolle schreiben wolle. Ehe er sich's versah, stand er wieder in einem Studio und hatte Blut geleckt.

Seiner Band, den Imposters (einer groovenden, gelasseneren Version der Attractions mit dem Bassisten Davey Faragher), ging es nicht anders. Schlagzeuger Pete Thomas kompilierte aus 30 Demos, die Costello ihm geschickt hatte, ein mögliches Album, das sich atmospharisch an Dusty Springfields Klassiker "Dusty In Memphis" orientierte; davon inspiriert hatte der Songwriter bald seine eigene Vorstellung von dem neuen Werk im Kopf. "Wir haben sehr viel an dem Album gearbeitet, bevor wir ins Studio gegangen sind", so Costello. "Es war alles vorher abgesprochen und eingeübt - von den Gesangsharmonien bis zu den Orchestrierungen. Wir mussten nur noch auf 'Record' drücken."

Doch als es dann im Oktober 2017 mit den Aufnahmen losgehen sollte, machte das Label plötzlich einen Rückzieher: "Die Leute, die die Finanzen kontrollieren, weigerten sich, den Scheck zu unterschreiben, weil sie dachten, dass meine besten Zeiten lange hinter mir liegen", so Costello. "Für die hätte ich nur einen Wert gehabt, wenn ich tatsächlich gestorben wäre. Dann hätten sie wirklich Geld machen können." Das ist gleich doppelt traurig, weil es natürlich stimmt: Der Tod ist der letzte Hype, der tatsächlich immer noch funktioniert. Mit einem Mal sind die Platten der Künstler, die es sich zu Lebzeiten nicht mehr leisten konnten, in einem richtigen Studio mit professionellen Musikern aufzunehmen, weil irgendwer dachte, sie hatten ihre besten Zeiten hinter sich, wieder gefragt.

"Ich habe kein Recht, Platten zu machen", so Costello. "Und da ich nicht reich genug bin, um sie selbst zu finanzieren, brauche ich einen Investor, der mir Geld gibt, damit ich die Leute bezahlen kann, die an so einem Album arbeiten. Leute, die meinen Job nicht machen und keine Ahnung von Wirtschaft haben, denken, dass wir für eine solche Produktion Millionen und Abermillionen zur Verfügung haben, aber so ist es nicht. Wir mussten sehr sparsam sein. Mein Produzent Sebastian Krys und ich haben zum Beispiel daruber nachgedacht, ob wir es uns leisten können, eine weitere Viola in der Streichergruppe zu haben. Und in gewisser Weise ist das gut, weil ich Platten gemacht habe, bei denen ich viel mehr Geld hatte und die nicht unbedingt besser waren. Es ist wichtiger geworden, den Leuten zu vertrauen, mit denen man arbeitet."

"Look Now" ist ein opulentes Album mit allerlei Ornamenten und Verzierungen, aber das Grundgerüst liefern die Imposters, deren Fähigkeiten Costello auf der Tour zum 35. Geburtstag seines Albums "Imperial Bedroom" noch einmal neu schätzen lernte, weil sie die vertrackten Songs seines Meisterwerks von 1982 spielerisch auf die Buhne brachten. Deswegen haben sie auch das erste Wort auf "Look Now": Pete Thomas gibt den Takt vor, dann lasst Davey Faragher seine Bass-Saiten brummen, als würde er ein sehr kraftvolles Motorrad anwerfen, Steve Nieve wirft ein paar Klavierakkorde in die Speichen, und Costello singt von einem zweifelhaften Comeback - nicht seinem eigenen, sondern dem von Jimmie, dem britischen Cowboy-sänger aus seinem Song "Jimmie Standing In The Rain" von 2010 -, aber natürlich hat der Song, wie alle Lieder auf diesem Album, einen doppelten Boden. "Vielleicht bin ich nach all der Zeit weniger besessen davon, bei dem Gedanken an ein neues Album gleich zu denken, dass ich über die nachsten zwölf Dinge, die mir passieren, sofort jeweils einen Song schrieben muss.", so Costello. "Einige der Songs sind eigentlich für Theaterproduktionen geschrieben worden - sie sind also aus der Perspektive bestimmter Figuren geschrieben, nicht aus meiner eigenen. Aber sie müssen trotzdem wahrhaftig sein."

Einige der Stücke wurden ursprünglich für eine Musicalversion von "Painted From Memory" geschrieben, dem Album, das er 1998 mit Burt Bacharach aufnahm. ,,Natürlich war es knifflig, die Songs zu einer Handlung zusammenzubauen. Deswegen mussten wir noch zusätzliche Stücke schreiben, um ein paar Lücken zu füllen." Einige dieser Stücke sind nun auf "Look Now" zu hören. ,,Burt hat sehr selten selbst Texte geschrieben. Es gibt, glaube ich, nur ein Album, auf dem er sich daran versucht hat. Und die Musik hat er in der Regel allein geschrieben. Ich bin neben Neil Diamond der Einzige, mit dem er wirklich zusammen komponiert hat." Nicht immer saßen sie dabei gemeinsam am Klavier. "Oft haben wir auch getrennt voneinander geschrieben und das Ergebnis dem anderen dann vorgelegt, damit er weiter dran arbeiten kann. Als ich Burt meinen Song 'Stripping Paper' schickte, sagte er: 'Der ist komplett, da muss ich nichts hinzufügen.' Das war das großte Kompliment, das er mir machen konnte. Seit meinem 23. Lebensjahr wollte ich Songs schreiben können wie er."

Ich erzähle ihm von Bacharachs Konzert im Berliner Admiralspalast ein paar Wochen zuvor und dass das nach einem Auftritt als musikalischer Leiter von Marlene Dietrich in den Sechzigern erst sein zweites Gastspiel in der Stadt war. Er holt sein Telefon aus der Hosentasche und zeigt mir ein Foto, das er im Internet gefunden hat. Es zeigt alle Künstler der Royal Variety Performance von 1963 im London Palladium: "Vorn sieht man die Beatles (bei diesem Anlass bat John Lennon die Leute auf den teuren Plätzen, mit ihren Juwelen zu rasseln - Red.) und Marlene Dietrich, und in einer der hinteren Reihen steht mein Vater, und wenn man nach links geht - Burt Bacharach! Er war damals der musikalische Leiter von Marlene." Er grinst. "Irre, oder?"

Es kommt einem tatsächlich so vor, als wäre dieses Bild eine Fotomontage und Elvis Costello so eine Art Forrest Gump des Pop, der sich quasi nachträglich in dieses Bild hineingemogelt hat: als Sohn des Big-Band-Sängers Ross MacManus und als Songwritingpartner von Bacharach sowie von Paul McCartney, mit dem er Ende der Achtziger Lieder schrieb. Seine Memoiren, "Unfaithful Music And Disappearing Ink", die er kurz nach dem Tod seines Vaters 2011 begann, lesen sich tatsächlich wie ein Bildungsroman: eine lange Reise, auf der er Lehrmeistern aus allen Genres begegnet - von George Jones bis Allen Toussaint, dem Brodsky Quartet bis zu den Roots - und sich deren Stile und Techniken aneignet. Am vorläufigen Ende dieser Reise steht "Look Now", auf dem er als Songwriter, Arrangeur und Koproduzent alle Register seines Könnens zieht. "Ich bin nie auf die Uni gegangen", sagt Costello. "Ich bin einfach zur Arbeit gegangen."


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Rolling Stone Germany, November 2018


Maik Brüggemeyer interviews Elvis following the release of Look Now.

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