Bob Dylan hatte sein album "Time Out Of Mind" bereits aufgenommen, als er im Mai 1997 mit einer lebensbedrohlichen Herzbeutelinfektion ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Er war sich sicher, dass er bald an die Himmelstür klopf-klopf-klopfen und Elvis Presley ihm öffnen wurde. Als das Werk vier Monate später erschien, klang es tatsächlich wie ein unheimliches, aus dem Jenseits diktiertes Vermächtnis und wurde aller-orten als Rückkehr aus dem Grab der Inspirationslosigkeit gefeiert, als Beginn des künstlerisch wertvollsten Comebacks der Geschichte.
Als Elvis Costello im vergangenen Winter einen Anrufvon seinem Arzt bekam, der ihm erklärte, er habe einen kleinen, aber sehr a ressiven bösartigen Tumor bei ihm entdeckt, arbeitete der Songwriter gerade in den Electric-Lady-Studio in New York an letzten Arrangements für ein neues Album. Und wenn man "Look Now", das Mitte Oktober erschien, nun hört, kommt einem der Gedanke, dass auch er schon vor dieser Schocknachricht gesehen haben muss, wie der Tod einen Parkplatz suchte, um dann mal kurz anzuklingeln. Denn dieses Album klingt wie eine Lebensbilanz - oder eine Greatest-Hits-Sammlung ohne die Hits, dafur aber mit einigen Songs, die seit Jahrzehnten darauf gewartet haben, endlich aufgenommen zu werden: "Burnt Sugar Is So Bitter" etwa, das er 1995 mit Carole King schrieb, oder "Unwanted Number", das 1996 im Soundtrack der von Kings Leben inspirierten romantischen Komodie "Grace Of My Heart" in einer Version der Girl-group For Real auftauchte. Klassische Popsongs. Aus der Zeit gefallen. Nun aufgehoben für "Look Now". Ein so fokussiertes und auf seltsame Weise dringliches Album hat Costello schon seit sehr langer Zeit nicht mehr veröffentlicht - ja, genau genommen hat er schon seit sehr langer Zeit überhaupt kein Album mehr veröffentlicht.
"Ich habe 2010 aufgehört, unter meinem eigenen Namen Platten zu machen", sagt der 64-Jährige, der sich am Tag unseres Interviews in einem Londoner Hotel ,,gut, aber nicht großartig" fühlt und sich noch von der erfolgreichen OP erholt. Aber über seine Krankheit mag er nicht weiter reden. "Ich habe meinen Lebensunterhalt damit verdient, aufzutreten und Platten zu machen", fährt er fort. "Als das mit den Platten finanziell weniger wichtig wurde, habe ich mir gedacht, ich bin weniger egoistisch und gehe lieber auf Tour, statt im Studio Geld auszugeben."
Die Zusammenarbeit mit den Roots, "Wise Up Ghost" (2013), und die Vertonung alter Bob-Dylan-Texte mit Marcus Mumford, Jim James, Taylor Goldsmith und Rhiannon Giddens fur die "New Basement Tapes" kamen danach eher zufallig zustande - Ausnahmen, die seinen Entschluss nur bestatigten, und so klingen sie auch. Doch dann kam die Anfrage einer Film-firma, ob er nicht einen Song für den Soundtrack zu Paul McGuigans "Film Stars Don't Die In Liverpool" mit Annette Bening in der Hauptrolle schreiben wolle. Ehe er sich's versah, stand er wieder in einem Studio und hatte Blut geleckt.
Seiner Band, den Imposters (einer groovenden, gelasseneren Version der Attractions mit dem Bassisten Davey Faragher), ging es nicht anders. Schlagzeuger Pete Thomas kompilierte aus 30 Demos, die Costello ihm geschickt hatte, ein mögliches Album, das sich atmospharisch an Dusty Springfields Klassiker "Dusty In Memphis" orientierte; davon inspiriert hatte der Songwriter bald seine eigene Vorstellung von dem neuen Werk im Kopf. "Wir haben sehr viel an dem Album gearbeitet, bevor wir ins Studio gegangen sind", so Costello. "Es war alles vorher abgesprochen und eingeübt - von den Gesangsharmonien bis zu den Orchestrierungen. Wir mussten nur noch auf 'Record' drücken."
Doch als es dann im Oktober 2017 mit den Auf¬nahmen losgehen sollte, machte das Label plötzlich einen Rückzieher: "Die Leute, die die Finanzen kontrollieren, weigerten sich, den Scheck zu unter¬schreiben, weil sie dachten, dass meine besten Zeiten lange hinter mir liegen", so Costello. "Für die hätte ich nur einen Wert gehabt, wenn ich tatsächlich gestorben wäre. Dann hätten sie wirklich Geld machen können."
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