Rolling Stone Germany, October 2004: Difference between revisions
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Wo Attractions-Bassist Bruce Thomas druckvoll die gesamte Verve Costellos auf den Rhythmus übertrug, schien Davey Faragher am Bass variabler — aber auch gelassener. Doch das bekam den Songs erstaunlich gut und rettete den jugendlichen Hochdruck nahtlos ins mitlere Alter. Allzu lange beschäftigen sich die Imposters allerdings nicht mit dem Frühhwerk ihres Chefs, bald schon begannen sie, mit nur wenigen Unterbrechungen fast das komplette neue Album ''The Delivery Man'' aufzuführen. | Wo Attractions-Bassist Bruce Thomas druckvoll die gesamte Verve Costellos auf den Rhythmus übertrug, schien Davey Faragher am Bass variabler — aber auch gelassener. Doch das bekam den Songs erstaunlich gut und rettete den jugendlichen Hochdruck nahtlos ins mitlere Alter. Allzu lange beschäftigen sich die Imposters allerdings nicht mit dem Frühhwerk ihres Chefs, bald schon begannen sie, mit nur wenigen Unterbrechungen fast das komplette neue Album ''The Delivery Man'' aufzuführen. | ||
Nun also der dritte Abend: Wenn niemand auf sie aufpasst, sind Philharmoniker ja eher Disharmoniker, doch einige Passagen aus dem Werk, das hier gleich aufgeführt werden soll, kann man schon heraushören. Es handelt sich um das erste große Orchesterwerk von Elvis Costello. Ursprünglich geschrieben für eine Ballettaufführung von Shakespeares ''A Midsummer Night's Dream'' in Bologna: ''Il Sogno di una notta die mezza estate'', kurz: ''Il Sogno''. Unter diesem Titel erscheint nun auch eine überarbeitete Version er Ballettmusik auf Tonträger. Im April 2002 eingespielt vom London Symphony Orchestra under der Leitung von Michael Tilson | Nun also der dritte Abend: Wenn niemand auf sie aufpasst, sind Philharmoniker ja eher Disharmoniker, doch einige Passagen aus dem Werk, das hier gleich aufgeführt werden soll, kann man schon heraushören. Es handelt sich um das erste große Orchesterwerk von Elvis Costello. Ursprünglich geschrieben für eine Ballettaufführung von Shakespeares ''A Midsummer Night's Dream'' in Bologna: ''Il Sogno di una notta die mezza estate'', kurz: ''Il Sogno''. Unter diesem Titel erscheint nun auch eine überarbeitete Version er Ballettmusik auf Tonträger. Im April 2002 eingespielt vom London Symphony Orchestra under der Leitung von Michael Tilson Thomas in den Abbey Road Studios in London. An diesem warmen Sommerabend in New York soll diese Version nun erstmals auf die Bühne gebracht werden. Costello kriegt man zunächst nicht zu sehen, denn nicht er steigt aufs Podest, um die Musiker mit wilden Armbewegungen zu verwirren — Avantgarde-Aficianado Brad Lubmann dirigiert dirigiert die Brooklyn Philharmonics durch die ursprünglich 200 handgeschriebenen Manuskriptseiten. Die meisten Fans warten natürlich trotzdem vor allem auf en Meister persönlich, der anschließend noch einige (Pop-)Songs mit Orchesterbegleitung geben wird, und blättern so lange gelangweilt im Programmheft. Dabei ist Costello schon während der einstündigen ''Il Sogno''-Aufführung mehr als präsent, und das, obwohl die Musik völlig ohne seine gefürchteten Wortkaskaden auskommen muss. Der Mitteilungsdrang des hyperaktiven, hitzköpfigen, blitzgescheiten, eloquenten, bollerköpfigen, scharfsinnigen, frisch verheirateten Neuwahl-New Yorkers (ich bin sicher, Costello hätte für die Beschreibung der eigenen Person in einem Song nicht weniger Adjektive verwendet) ist — dessen ungeachtet — enorm. Jede Passage scheint von der Informiertheit des Komponisten zu künden, ein Verweis auf Dvorak hier, einer auf Gershwin dort, an einer anderen Stelle meint man Debussy zu hören — oder Charles Mingus. Das Ganze wirkt wie ein großer Kaffeeklatsch der klassischen Moderne. "Originalität wird allgemein überbewertet," wird Costello mir einige Wochen spater auf meine schriftliche Nachfrage ob seiner Einflüsse entgegnen. "Komponisten, die wesentlich besser sind als ich, haben auch zitiert oder auf bereits bestehende Formen und Stile angespielt." Eine Methode, die Costello selbst bei Genrewerken wie ''Get Happy!!'', ''King Of America'' oder seinem neuen Album ''The Delivery Man'' auch oft und gerne angewendet hat. | ||
Das Hotel, in dem ich Elvis Costello am Tag darauf zum Kaffee treffe, liegt in Soho, an der Mercer Street. Die trifft an einer Stelle auf die Bleecker Street, die in westlicher Richtung mitten ins Herz der New Yorker Folk-Szene der 50er und 60er rund den Washington Square führt, gen Osten trifft sie auf die Bowery — und zwar genau dort,wo auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Markise von New Yorks Punk-Adresse Nummer 1 zu sehen ist. Vier Buchstaben zieren sie: CBGB. | Das Hotel, in dem ich Elvis Costello am Tag darauf zum Kaffee treffe, liegt in Soho, an der Mercer Street. Die trifft an einer Stelle auf die Bleecker Street, die in westlicher Richtung mitten ins Herz der New Yorker Folk-Szene der 50er und 60er rund den Washington Square führt, gen Osten trifft sie auf die Bowery — und zwar genau dort,wo auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Markise von New Yorks Punk-Adresse Nummer 1 zu sehen ist. Vier Buchstaben zieren sie: CBGB. | ||
Die Bleecker Street erscheint fast wie ein Sinnbild für den Beginn der Karriere des jungen Declan Patrick MacManus, den man später Elvis Costello nannte. Angefangen hatte nämlich alles im Londoner Folkclub "The Crypt," wo Declan als 16-Jähriger seine ersten Gigs spielte — und acht Jahre später stand er tatsächlich auf der Bühne des CBGB und spielte zusammen mit seinem Freund Richard Hell und den Voidoids unter anderem dessen "You Gotta | Die Bleecker Street erscheint fast wie ein Sinnbild für den Beginn der Karriere des jungen Declan Patrick MacManus, den man später Elvis Costello nannte. Angefangen hatte nämlich alles im Londoner Folkclub "The Crypt," wo Declan als 16-Jähriger seine ersten Gigs spielte — und acht Jahre später stand er tatsächlich auf der Bühne des CBGB und spielte zusammen mit seinem Freund Richard Hell und den Voidoids unter anderem dessen "You Gotta Lose" und "Shattered" von den Rolling Stones. | ||
Der Weg dorthin führte über Liverpool. Dorthin war er nach der Scheidung seiner Eltern mit seiner Mutter Lilian gezogen, hatte zusammen mit seinem Freund Allan Mayes als Folk-duo Rusty Songs von Neil Young, Loudon Wainwright, Bob Dylan, Simon & Garfunkel und auch erste unbeholfene Eigenkompositionen gespielt. ''"My mandolin picks out of time / And out of tune as well / A simple song I learnt a while ago / While you were sleeping,"'' heißt es im Stück "Dull Echos" — er übte halt noch. | Der Weg dorthin führte über Liverpool. Dorthin war er nach der Scheidung seiner Eltern mit seiner Mutter Lilian gezogen, hatte zusammen mit seinem Freund Allan Mayes als Folk-duo Rusty Songs von Neil Young, Loudon Wainwright, Bob Dylan, Simon & Garfunkel und auch erste unbeholfene Eigenkompositionen gespielt. ''"My mandolin picks out of time / And out of tune as well / A simple song I learnt a while ago / While you were sleeping,"'' heißt es im Stück "Dull Echos" — er übte halt noch. | ||
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"Wir hatten einen Gig im Cavern Club in Liverpool," erinnert sich Brinsley-Schwarz-Sänger und -Bassist Nick Lowe, "und wir saßen gegenüber im 'The Grapes' und tranken Cocktails, um uns schon mal in Stimmung zu bringen." | "Wir hatten einen Gig im Cavern Club in Liverpool," erinnert sich Brinsley-Schwarz-Sänger und -Bassist Nick Lowe, "und wir saßen gegenüber im 'The Grapes' und tranken Cocktails, um uns schon mal in Stimmung zu bringen." | ||
"Da kam Elvis rein, und irgendwer sagte: 'Schau an, da ist wieder dieser ''weird-looking-geezer'', der immer zu unseren Shows kommt.' Und ich dachte: Dann ist's wohl Zeit, ihn mal auf ein Bier einzuladen und mich vorzustellen." Daraus entstand nicht nur eine der am längsten währenden Freund schaften in Costellos Karriere, er hatte auch seinen Mentor und den Produzenten seiner ersten Alben kennengelernt. Kein Wunder also, dass er Declan MacManus bald wieder nach London zog, wo er mit seiner neu gregündeten Band Flip City mit mäßigem Erfolg auf den Spuren seiner Helden Brinsley Schwarz wandelte; allerdings mit einem mittelschweren Country-Einschlag, denn mittlerweile hatte er ''Sweetheart Of The Rodeo'' von den Byrds und ''Gilded | "Da kam Elvis rein, und irgendwer sagte: 'Schau an, da ist wieder dieser ''weird-looking-geezer'', der immer zu unseren Shows kommt.' Und ich dachte: Dann ist's wohl Zeit, ihn mal auf ein Bier einzuladen und mich vorzustellen." Daraus entstand nicht nur eine der am längsten währenden Freund schaften in Costellos Karriere, er hatte auch seinen Mentor und den Produzenten seiner ersten Alben kennengelernt. Kein Wunder also, dass er Declan MacManus bald wieder nach London zog, wo er mit seiner neu gregündeten Band Flip City mit mäßigem Erfolg auf den Spuren seiner Helden Brinsley Schwarz wandelte; allerdings mit einem mittelschweren Country-Einschlag, denn mittlerweile hatte er ''Sweetheart Of The Rodeo'' von den Byrds und ''Gilded Palace Of Sin'' von den Flying Burrito Brothers für sich entdeckt. In diese Zeit fiel auch die Veröffentlichung der beiden Gram-Parsons-Soloalben ''GP'' und ''Grievous Angel'', die zu wichtigen Einflüssen auf Declans Songwriting wurden. Erste Versionen von "Radio, Radio" (damals noch "Radio Soul"), "Mystery Dance" und "Blame It On Cain" tauchten auf. | ||
Die Fähigkeiten seiner Mitmusiker waren bei solchen Songs schnell überschritten, und es war nur eine Frage der Zeit, bis Flip City als Vehikel für das sich stetig entwickelnde Songwriting-Talent nicht mehr taugten. So spielte Declan, der mittlerweile als ''computer operator'' bei der Elizabeth Arden Company (der ''"vanity factory"'' aus "I'm Not Angry") arbeitete, die Songs solo unter dem Namen DP Costello. (Costello war der Mädchenname seiner Großmutter, die Initialien deuten auf den nicht nachlassenden Gram Parsons-Einfluss.) Die Reduzierung auf Stimme und Gitarre verstärkte auch die Begeisterung für klassichen Country: Hank Williams, George Jones, Charlie Rich und Merle Haggard hinterließen ihre Spuren auf neuen MacManus-Kompositionen. | Die Fähigkeiten seiner Mitmusiker waren bei solchen Songs schnell überschritten, und es war nur eine Frage der Zeit, bis Flip City als Vehikel für das sich stetig entwickelnde Songwriting-Talent nicht mehr taugten. So spielte Declan, der mittlerweile als ''computer operator'' bei der Elizabeth Arden Company (der ''"vanity factory"'' aus "I'm Not Angry") arbeitete, die Songs solo unter dem Namen DP Costello. (Costello war der Mädchenname seiner Großmutter, die Initialien deuten auf den nicht nachlassenden Gram Parsons-Einfluss.) Die Reduzierung auf Stimme und Gitarre verstärkte auch die Begeisterung für klassichen Country: Hank Williams, George Jones, Charlie Rich und Merle Haggard hinterließen ihre Spuren auf neuen MacManus-Kompositionen. | ||
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Als Costello im ''Melody Maker'' eine Anzeige des neu gegründeten Stiff-Labels las, machte er sich gleich auf ins Büro in der Alexander Street — vermeintlich, um ein Exemplar der neuen Nick-Lowe-Single "So It Goes" zu kaufen, eigentlich aber, um der Sekretärin von Labelmanager Jake | Als Costello im ''Melody Maker'' eine Anzeige des neu gegründeten Stiff-Labels las, machte er sich gleich auf ins Büro in der Alexander Street — vermeintlich, um ein Exemplar der neuen Nick-Lowe-Single "So It Goes" zu kaufen, eigentlich aber, um der Sekretärin von Labelmanager Jake Riviera ein Demo seiner eigenen Songs zu überreichen. Es war das erste Demo, das Rivera auf den Tisch bekam — und ein vielversprechenderes hörte er nie wieder, auch wenn die Songs (noch) nicht nach Kassenschlagern klangen. Die ''attitude'' schien eher den großen Countryballaden abgeschaut, es waren die "einzigen Songs in einem Rockidiom, in denen der Typ seine absolute Niederlage eingesteht," wie ihr Autor später in einem Interview nicht ohne Stolz feststellte. | ||
Doch Countryballaden ließen sich zu dieser Zeit in England kaum verkaufen. So wurde aus DP Costello, dessen Musik, Kleidung, Geschmack und Hintergrund wenig Hinweis auf diese Entwicklung gaben, zu Elvis Costello, der neuen Hoffnung des Punk, umgemodelt ''(siehe Kasten Seite 57)''. Auf dem ersten Album lieferten noch die Pub-Rocker von Clover (der damaligen Band von Huey Lewis, der selbst jedoch nicht zugegen war) die Begleitung, konnten aber der lyrischen Schärfe, Wut und Paranoia der neueren Songs nicht immer ganz gerecht werden. | Doch Countryballaden ließen sich zu dieser Zeit in England kaum verkaufen. So wurde aus DP Costello, dessen Musik, Kleidung, Geschmack und Hintergrund wenig Hinweis auf diese Entwicklung gaben, zu Elvis Costello, der neuen Hoffnung des Punk, umgemodelt ''(siehe Kasten Seite 57)''. Auf dem ersten Album lieferten noch die Pub-Rocker von Clover (der damaligen Band von Huey Lewis, der selbst jedoch nicht zugegen war) die Begleitung, konnten aber der lyrischen Schärfe, Wut und Paranoia der neueren Songs nicht immer ganz gerecht werden. | ||
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Auf dem Bett liegt, neben einem Ukulele Kasten, ein lilafarbener Anzug und ein ebenfalls neongrünes Hemd mit rot-schwarz-gelbem Muster. | Auf dem Bett liegt, neben einem Ukulele Kasten, ein lilafarbener Anzug und ein ebenfalls neongrünes Hemd mit rot-schwarz-gelbem Muster. | ||
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Das ist wohl die Abendgarderobe. Durchaus angemessen, schließlich will Costello nach dem Interview in die Radio City Music Hall zum Elton John-Konzert gehen. Seit Elton Elvis und die Attractions 2003 in die Rock 'n' Roll Hall Of Fame einführte, scheinen die beiden äußerst gut befreundet, so fanden die Hochzeitsfeierlichkeiten von Costello und seiner (dritten) Frau, der Jazzsängerin Diana Krall, auf Elton Johns Anwesen in London statt. | Das ist wohl die Abendgarderobe. Durchaus angemessen, schließlich will Costello nach dem Interview in die Radio City Music Hall zum Elton John-Konzert gehen. Seit Elton Elvis und die Attractions 2003 in die Rock 'n' Roll Hall Of Fame einführte, scheinen die beiden äußerst gut befreundet, so fanden die Hochzeitsfeierlichkeiten von Costello und seiner (dritten) Frau, der Jazzsängerin Diana Krall, auf Elton Johns Anwesen in London statt. | ||
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''Aber ''Citizen Kane'' ist ja ein gutes Stichwort: die Macht der Medien, das Spannungsverhältnis zwischen Wirklichkeit und Kunst, das viele Arbeiten von Orson Welles beherrscht. Wenn man Michael Moores Film nicht als Kunst sieht, ist man auf einmal bei Kategorien wie "Wahrheit" und "Wirklichkeit," an denen sich der Film messen lassen muss. Und da versagt er. Die Goldene Palme in Cannes ging vielleicht gar nicht aus so einem Gutmenschen-Anti-Amerikanismus an Moore. Vielleicht hat Quentin Tarantino als Präsident der Jury in Cannes Moore ja den Preis gegeben, weil er ihn als Kunstfigur rezipiert — als eine Art Cartoon-Variante von Ignatius Reilly. | ''Aber ''Citizen Kane'' ist ja ein gutes Stichwort: die Macht der Medien, das Spannungsverhältnis zwischen Wirklichkeit und Kunst, das viele Arbeiten von Orson Welles beherrscht. Wenn man Michael Moores Film nicht als Kunst sieht, ist man auf einmal bei Kategorien wie "Wahrheit" und "Wirklichkeit," an denen sich der Film messen lassen muss. Und da versagt er. Die Goldene Palme in Cannes ging vielleicht gar nicht aus so einem Gutmenschen-Anti-Amerikanismus an Moore. Vielleicht hat Quentin Tarantino als Präsident der Jury in Cannes Moore ja den Preis gegeben, weil er ihn als Kunstfigur rezipiert — als eine Art Cartoon-Variante von Ignatius Reilly. | ||
Da macht man sich's vielleicht ein bisschen zu einfach, wenn man Moore als Cartoon-Figur charakterisiert. Seine Erscheinung legt das natürlich nahe. Dieses Grobschlächtige und dann immer diese Mütze. Aber wenn du es so siehst, ist Quentin Tarantino ja auch eine Cartoon-Figur, eine hyperaktive sogar. Ich interessiere mich für seine neueren Filme nicht mehr so, aber er hat in der ersten Hälfte der 90er sehr faszinierende Sachen gemacht. Jeder nutzt halt die Fähigkeiten, die er hat, um seinen Standpunkt klarzumachen und sein Ziel zu erreichen. Es geht nicht immer um eine politische Intention | Da macht man sich's vielleicht ein bisschen zu einfach, wenn man Moore als Cartoon-Figur charakterisiert. Seine Erscheinung legt das natürlich nahe. Dieses Grobschlächtige und dann immer diese Mütze. Aber wenn du es so siehst, ist Quentin Tarantino ja auch eine Cartoon-Figur, eine hyperaktive sogar. Ich interessiere mich für seine neueren Filme nicht mehr so, aber er hat in der ersten Hälfte der 90er sehr faszinierende Sachen gemacht. Jeder nutzt halt die Fähigkeiten, die er hat, um seinen Standpunkt klarzumachen und sein Ziel zu erreichen. Es geht nicht immer um eine politische Intention <!--- start of page 12 ---> oder darum, nach Schönheit zu suchen — es kann auch um die ironische Nebeneinanderstellung verschiedener Genres gehen oder darum, unsere Meinung darüber, was Kunst ist, in Frage zu stellen, wie bei Tarantino. Er interessiert sich für abwegige, ephemere Phänomene der Popkultur, wie jetzt diese Karatefilme, und wertet sie auf, macht daraus etwas, das einen größeren Teil der modernen Gesellschaft widerspiegelt — eine Art Fabel. | ||
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''The Delivery Man ist ja auch eine Art Fabel, oder? | |||
Ja. Es ist fiktiv und gleichzeitig so real wie irgendwas. Ich meine, was ist heute überhaupt noch real? Ein Großteil von Moores Argumentation ist ja schwer außer Kraft zu setzen: Es gab im Irak keine Massenvernichtungswaffen, Saddam Hussein — natürlich ein verachtenswerter Diktator-hatte keine Verbindungen zu al-Qaida. Und jeder weiß das ja auch mittlerweile. Doch sie behaupten es wieder und wieder. | |||
Weil es irgendwann zur Wahrheit wird, wenn sie es nur oft genug sagen. So läuft es doch mit der Macht, oder? Einfach immer weiter die Unwahrheit behaupten, und wer nicht zustimmt, wird niedergebombt, damit man später Firmen hinschicken kann, die alles wieder aufbauen. | |||
''Würdest du gern den Dreck auf Tony Blairs Grab niedertreten, wie du es in "Tramp The Dirt Down" über Margaret Thatcher geschrieben hast? | |||
''(Schüttelt den Kopf)'' So einfach ist es nicht mehr. Den Song habe ich über etwas gesch was mich damals rsönlich betraf, weil ich noch in England lebte. Ich kann zwar nicht verstehen, warum Blair mit George Bush gemeinsame Sache gemacht hat — ich meine, ich wusste, dass er ein Verräter an seiner Partei war und so, aber dass man ihn so leicht hinters Licht führen kann, war mir nicht klar. Aber bei Margaret Thatcher war es ganz klar schwarz und weiß, es war sehr einfach, das satirisch darzustellen. Ihre ganze Erscheinung hat das nahegelegt. Jetzt ist's ein bisschen schwieriger, sich gegen etwas zu stellen und das in einem Song auszudrücken. Was kann man über Tony Blair sagen? Er kommt rüber wie ein überernster Vikar. Das ist nichts wirklich Schlimmes. Seine Rolle ist sehr klein. Es ist natürlich beschämend, dass er Soldaten ohne UN-Mandat in den Irak übersendet hat. Aber die Wirkungsmacht der UN ist halt nur gegeben, wenn das mächtigste Land der Welt ihm diese zugesteht. Das sind alles Spiele um Macht und Kontrolle. Egal wie die Menschen versuchen, ihr Leben zu ordnen, politisch oder religiös, wenn ihr Handeln nicht auf Liebe basiert, basiert es auf Macht und Kontrolle." | |||
Kontrolle ist auch ein passendes Stichwort, um auf Costellos Karriere zurückzukommen. Mit dem Vorfall in Columbus schien er selbige vollkommen verloren zu haben. Er war gefangen in seinem eigenen Image, und gleichzeitig schien die Karriere nach den vermeintlich rassistischen Äußerungen den Bach runter zu gehen. Doch er löste dieses Problem, indem er einfach ein Anderer wurde. Schon ''Get Happy!!'' ließ den "angry young man" ein Stück hinter sich, ''Almost Blue'' und das leicht eklektische ''Trust'' gingen musikalisch auf die Zeit vor ''My Aim Is True'' zurück, und mit ''Imperial Bedroom'' hatte er sich endgültig von Punk und New Wave verabschiedet. | |||
Die Zeilen ''"Don't get smart or sarcastic / He snaps back just like elastic / Spare us the theatrics and the verbal gymnastics / We break wise guys just like matchsticks"'' aus dem Schlüsselsong "The Loved Ones" kann man durchaus als Kommentar zum alten Image lesen. Neil Youngs ''"It's better to burn out than to fade away"'' hält er im gleichen Song entgegen: ''"What would the loved ones say / He'll be remembered young and pretty / What would the loved ones say / Now he's a hit in every city / Now there's a name we'll never forget / There's one born every minute/ Don't pin a medal on me yet! They might be waiting for you.''" Nur die Besten sterben jung? Schön und gut, aber was würden die Liebsten dazu sagen? Mit Rock 'n' Roll hatte das nur noch wenig gemein. Große amerika- | |||
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{{tags}}[[The Imposters]] {{-}} [[Concert 2004-07-15 New York|Avery Fisher Hall]] {{-}} [[New York]] {{-}} [[The Delivery Man]] {{-}} [[Rhino]] {{-}} [[Edsel]] {{-}} [[Almost Blue]] {{-}} [[Goodbye Cruel World]] {{-}} [[Kojak Variety]] {{-}} [[Metropole Orkest]] {{-}} [[I Hope You're Happy Now]] {{-}} [[Waiting For The End Of The World]] {{-}} [[You Belong To Me]] {{-}} [[Radio, Radio]] {{-}} [[Bruce Thomas]] {{-}} [[Davey Faragher]] {{-}} [[The Delivery Man]] {{-}} [[A Midsummer Night's Dream]] {{-}} [[Il Sogno]] {{-}} [[London Symphony Orchestra]] {{-}} [[Michael Tilson Thomas]] {{-}} [[Abbey Road Studios]] {{-}} [[Brooklyn Philharmonic Orchestra]] {{-}} [[George Gershwin]] {{-}} [[Claude Debussy|Debussy]] {{-}} [[Charles Mingus]] {{-}} [[Get Happy!!]] {{-}} [[King Of America]] {{-}} [[Concert 1978-10-18 New York|CBGB]] {{-}} [[Declan Patrick MacManus]] {{-}} [[Gigography 1969-1974|The Crypt]] {{-}} [[Richard Hell]] {{-}} [[You Gotta Lose]] {{-}} [[Shattered]] {{-}} [[The Rolling Stones]] {{-}} [[Allan Mayes]] {{-}} [[Rusty]] {{-}} [[Neil Young]] {{-}} [[Loudon Wainwright III]] {{-}} [[Bob Dylan]] {{-}} [[Simon & Garfunkel]] {{-}} [[Brinsley Schwarz]] {{-}} [[Led Zeppelin]] {{-}} [[Ross MacManus]] {{-}} [[Motown]] {{-}} [[Frank Sinatra]] {{-}} [[Nick Lowe]] {{-}} [[Declan MacManus]] {{-}} [[Flip City]] {{-}} [[Vanity Fair, November 2000#The Byrds|Sweetheart Of The Rodeo]] {{-}} [[The Byrds]] {{-}} [[Vanity Fair, November 2000#The Flying Burrito Brothers|Gilded Palace Of Sin]] {{-}} [[The Flying Burrito Brothers]] {{-}} [[Gram Parsons]] {{-}} [[Vanity Fair, November 2000#Gram Parsons|GP]] {{-}} [[Vanity Fair, November 2000#Gram Parsons|Grievous Angel]] {{-}} [[Radio, Radio]] {{-}} [[Radio Soul]] {{-}} [[Mystery Dance]] {{-}} [[Blame It On Cain]] {{-}} [[Elizabeth Arden]] {{-}} [[I'm Not Angry]] {{-}} [[Hank Williams]] {{-}} [[George Jones]] {{-}} [[Charlie Rich]] {{-}} [[Merle Haggard]] {{-}} [[Melody Maker]] {{-}} [[Stiff Records]] {{-}} [[32 Alexander St.]] {{-}} [[Heart Of The City#Recordings by other artists|So It Goes (Nick Lowe single)]] {{-}} [[Jake Riviera]] {{-}} [[DP Costello]] {{-}} [[Clover]] {{-}} [[Huey Lewis]] {{-}} [[My Aim Is True]] {{-}} [[This Year's Model]] {{-}} [[Armed Forces]] {{-}} [[Blood & Chocolate]] | |||
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Der Besuch eines Konzerts der schwedischen Mezzosopranisten Anne Sofie von Otter 1989 in London brachte Costello ins Schwärmen. 1996 gaben von Otter und Costello in Stockholm dann gemeinsam zwei Shows. 1997 führte von Otter zusammen mit dem Brodsky Quartet auf einer kleinen Europa-Tour drei Stücke under dem Titel ''Three Distracted Women'' auf, die Costello eigens für diese Kooperation komponiert hatte. 2000 begannen dann zusammen mit dem schwedischen Fleshquartet und Attractions-Keyboarder Steve Nieve die Arbeiten an ''For The Stars'' — einem Album mit Coverversionen und neuen Costello-Stücken. Die Idee, den Großteil der Songs als Duette aufzunehmen, wurde schnell verworfen, da die Stimmen Costellos und von Otters alles andere als perfekt zusammenpassten. | Der Besuch eines Konzerts der schwedischen Mezzosopranisten Anne Sofie von Otter 1989 in London brachte Costello ins Schwärmen. 1996 gaben von Otter und Costello in Stockholm dann gemeinsam zwei Shows. 1997 führte von Otter zusammen mit dem Brodsky Quartet auf einer kleinen Europa-Tour drei Stücke under dem Titel ''Three Distracted Women'' auf, die Costello eigens für diese Kooperation komponiert hatte. 2000 begannen dann zusammen mit dem schwedischen Fleshquartet und Attractions-Keyboarder Steve Nieve die Arbeiten an ''For The Stars'' — einem Album mit Coverversionen und neuen Costello-Stücken. Die Idee, den Großteil der Songs als Duette aufzunehmen, wurde schnell verworfen, da die Stimmen Costellos und von Otters alles andere als perfekt zusammenpassten. | ||
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[[Graeme Thomson]] on how Stiff turned Declan MacManus into Elvis Costello. | [[Graeme Thomson]] on how Stiff turned Declan MacManus into Elvis Costello. | ||
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Also includes a rundown of Elvis Costello collaborations, and some song highlights . | Also includes a rundown of Elvis Costello collaborations, and some song highlights. | ||
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