Rolling Stone Germany, October 2004

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Elvis Costello – King of America


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   Maik Brüggemeyer

In New York fand Elvis Costello nach der Trennung von seiner zweiten Frau nicht nur privat ein neues Gluck — seine Wahlheimat stand auch Pate bei dem wundervollen neuen Blues-, Soul- und Gospel-Album. Anlass genug für eine Bilanz — und ein ausführliches Gespräch in New York.

Eine halbe Stunde vor Konzertbeginn in der Avery Fisher Hall des New Yorker Lincoln Centers an der Upper Westside betreten die ersten Mitglieder der Brooklyn Philharmonics die Bühne und spielen sich ein. Ein ziemlich ratloser Mitt-40er mit Armed Forces-T-Shirt unter seiner Jeansweste krault sich leicht gelangweilt den zauseligen Kinnbart. Rock 'n' Roll ist das nicht . Er hat ein ganz teures Ticket gekauft — Reihe M, im Parkett — und das gleich für drei Abende "In This Moment: Elvis Costello" heißt diese Konzertreihe des Lincoln Centers. Wie der Titel schon nahe legt, stehen die Zeichen nicht unbe-dingt auf Nostalgie. Andere Künstler hätten diese einmalige Gelegenheit vermutlich zu einer Karriere-Retrospektive genutzt, vor allem wenn sie — wie Costello — wenige Tage vor ihrem 50. Geburtstag stehen würden. Am ersten Konzertabend geb's zwar einige alte Songs zu hören — allerdings in völlig neuen Jazz-bearbeitungen des niederländischen Metropole Orkest –, die meisten Stücke waren jedoch neueren Datums. Der zweite Abend im New Yorker E-Kultur-Zentrum begann mit den Worten "Turn off your cell phones, you won't hear 'em anyway" — Costello und seine Imposters betraten die Bühne, begannen mit einem furiosen "I Hope You're Happy Now," kurz darauf folgten die frühen Klassiker "Waiting For The End Of The World," "You Belong To Me" und "Radio, Radio." Doch auch hier klang vieles neu, denn der Unterschied zwischen der alten Costello-Begleitcombo The Attractions und den Imposters ist — obwohl nur auf einer Position verändert — einer ums Ganze.

Wo Attractions-Bassist Bruce Thomas druckvoll die gesamte Verve Costellos auf den Rhythmus übertrug, schien Davey Faragher am Bass variabler — aber auch gelassener. Doch das bekam den Songs erstaunlich gut und rettete den jugendlichen Hochdruck nahtlos ins mitlere Alter. Allzu lange beschäftigen sich die Imposters allerdings nicht mit dem Frühhwerk ihres Chefs, bald schon begannen sie, mit nur wenigen Unterbrechungen fast das komplette neue Album The Delivery Man aufzuführen.

Nun also der dritte Abend: Wenn niemand auf sie aufpasst, sind Philharmoniker ja eher Disharmoniker, doch einige Passagen aus dem Werk, das hier gleich aufgeführt werden soll, kann man schon heraushören. Es handelt sich um das erste große Orchesterwerk von Elvis Costello. Ursprünglich geschrieben für eine Ballettaufführung von Shakespeares A Midsummer Night's Dream in Bologna: Il Sogno di una notta die mezza estate, kurz: Il Sogno. Unter diesem Titel erscheint nun auch eine überarbeitete Version er Ballettmusik auf Tonträger. Im April 2002 eingespielt vom London Symphony Orchestra under der Leitung von Michael Tilson-Thomas in den Abbey Road Studios in London. An diesem warmen Sommerabend in New York soll diese Version nun erstmals auf die Bühne gebracht werden. Costello kriegt man zunächst nicht zu sehen, denn nicht er steigt aufs Podest, um die Musiker mit wilden Armbewegungen zu verwirren — Avantgarde-Aficianado Brad Lubmann dirigiert dirigiert die Brooklyn Philharmonics durch die ursprünglich 200 handgeschriebenen Manuskriptseiten. Die meisten Fans warten natürlich trotzdem vor allem auf en Meister persönlich, der anschließend noch einige (Pop-)Songs mit Orchesterbegleitung geben wird, und blättern so lange gelangweilt im Programmheft. Dabei ist Costello schon während der einstündigen Il Sogno-Aufführung mehr als präsent, und das, obwohl die Musik völlig ohne seine gefürchteten Wortkaskaden auskommen muss. Der Mitteilungsdrang des hyperaktiven, hitzköpfigen, blitzgescheiten, eloquenten, bollerköpfigen, scharfsinnigen, frisch verheirateten Neuwahl-New Yorkers (ich bin sicher, Costello hätte für die Beschreibung der eigenen Person in einem Song nicht weniger Adjektive verwendet) ist — dessen ungeachtet — enorm. Jede Passage scheint von der Informiertheit des Komponisten zu künden, ein Verweis auf Dvorak hier, einer auf Gershwin dort, an einer anderen Stelle meint man Debussy zu hören — oder Charles Mingus. Das Ganze wirkt wie ein großer Kaffeeklatsch der klassischen Moderne. "Originalität wird allgemein überbewertet," wird Costello mir einige Wochen spater auf meine schriftliche Nachfrage ob seiner Einflüsse entgegnen. "Komponisten, die wesentlich besser sind als ich, haben auch zitiert oder auf bereits bestehende Formen und Stile angespielt." Eine Methode, die Costello selbst bei Genrewerken wie Get Happy!!, King Of America oder seinem neuen Album The Delivery Man auch oft und gerne angewendet hat.

Das Hotel, in dem ich Elvis Costello am Tag darauf zum Kaffee treffe, liegt in Soho, an der Mercer Street. Die trifft an einer Stelle auf die Bleecker Street, die in westlicher Richtung mitten ins Herz der New Yorker Folk-Szene der 50er und 60er rund den Washington Square führt, gen Osten trifft sie auf die Bowery — und zwar genau dort,wo auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Markise von New Yorks Punk-Adresse Nummer 1 zu sehen ist. Vier Buchstaben zieren sie: CBGB.

Die Bleecker Street erscheint fast wie ein Sinnbild für den Beginn der Karriere des jungen Declan Patrick MacManus, den man später Elvis Costello nannte. Angefangen hatte nämlich alles im Londoner Folkclub "The Crypt," wo Declan als 16-Jähriger seine ersten Gigs spielte — und acht Jahre später stand er tatsächlich auf der Bühne des CBGB und spielte zusammen mit seinem Freund Richard Hell und den Voidoids unter anderem dessen "You Gotta Loose" und "Shattered" von den Rolling Stones.

Der Weg dorthin führte über Liverpool. Dorthin war er nach der Scheidung seiner Eltern mit seiner Mutter Lilian gezogen, hatte zusammen mit seinem Freund Allan Mayes als Folk-duo Rusty Songs von Neil Young, Loudon Wainwright, Bob Dylan, Simon & Garfunkel und auch erste unbeholfene Eigenkompositionen gespielt. "My mandolin picks out of time / And out of tune as well / A simple song I learnt a while ago / While you were sleeping," heißt es im Stück "Dull Echos" — er übte halt noch.

1972 hörte der damals 18-Jährige erstmals die Platte, di — wenn man es pathetisch formulieren will — "sein Leben veränderte": Silver Pistol, das dritte Album von Brinsley Schwarz. Zu der Zeit drehten sich in Liverpooler Jugendzimmern sonst die Platten von Led Zeppelin, Yes und anderen schweren Rockbands, es ging um Lautstärke, Virtuosität — und Haare. Dem jungen Declan, der als Kind des Tanzorchestersängers und -trompeters Ross MacManus mit Motown-Songs ebenso aufgewachsenen war wie mit Gershwin und Sinatra, imponierte die musikalische Schlichtheit des Pubrocks, der auf virtuose Soli verzichtete und den Song wider in den Mittelpunkt der Performance rückte.

"Wir hatten einen Gig im Cavern Club in Liverpool," erinnert sich Brinsley-Schwarz-Sänger und -Bassist Nick Lowe, "und wir saßen gegenüber im 'The Grapes' und tranken Cocktails, um uns schon mal in Stimmung zu bringen."

"Da kam Elvis rein, und irgendwer sagte: 'Schau an, da ist wieder dieser weird-looking-geezer, der immer zu unseren Shows kommt.' Und ich dachte: Dann ist's wohl Zeit, ihn mal auf ein Bier einzuladen und mich vorzustellen." Daraus entstand nicht nur eine der am längsten währenden Freund schaften in Costellos Karriere, er hatte auch seinen Mentor und den Produzenten seiner ersten Alben kennengelernt. Kein Wunder also, dass er Declan MacManus bald wieder nach London zog, wo er mit seiner neu gregündeten Band Flip City mit mäßigem Erfolg auf den Spuren seiner Helden Brinsley Schwarz wandelte; allerdings mit einem mittelschweren Country-Einschlag, denn mittlerweile hatte er Sweetheart Of The Rodeo von den Byrds und Gilded Place Of Sin von den Flying Burrito Brothers für sich entdeckt. In diese Zeit fiel auch die Veröffentlichung der beiden Gram-Parsons-Soloalben GP und Grievous Angel, die zu wichtigen Einflüssen auf Declans Songwriting wurden. Erste Versionen von "Radio, Radio" (damals noch "Radio Soul"), "Mystery Dance" und "Blame It On Cain” tauchten auf. Die Fähigkeiten seiner Mitmusiker waren bei solchen Songs schnell überschritten, und es war nur eine Frage der Zeit, bis Flip City als Vehikel für das sich stetig entwickelnde Songwriting-Talent nicht mehr taugten. So spielte Declan, der mittlerweile als computer operator bei der Elizabeth Arden Company (der "vanity factory" aus "I'm Not Angry") arbeitete, die Songs solo unter dem Namen DP Costello (Costello war der Mädchenname seiner Großmutter, die Initialien deuten auf den nicht nachlassenden Gram Parsons-Einfluss.) Die Reduzierung auf Stimme und Gitarre verstärkte auch die Begeisterung für klassichen Country: Hank Williams, George Jones, Charlie Rich und Merle Haggard hinterließen ihre Spuren auf neuen MacManus-Kompositionen.

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Als Costello im Melody Maker eine Anzeige des neu gegründeten Stiff-Labels las, machte er sich gleich auf ins Büro in der Alexander Street – vermeintlich, um ein Exemplar der neuen Nick-Lowe-Single "So It Goes" zu kaufen, eigentlich aber, um der Sekretärin von Labelmanager Jake Rivera ein Demo seiner eigenen Songs zu überreichen. Es war das erste Demo, das Rivera auf den Tisch bekam – und ein vielversprechenderes hörte er nie wieder, auch wenn die Songs (noch) nicht nach Kassenschlagern klangen. Die attitude schien eher den großen Countryballaden abgeschaut, es waren die "einzigen Songs in einem Rockidiom, in denen der Typ seine absolute Niederlage eingesteht," wie ihr Autor später in einem Interview nicht ohne Stolz feststellte.

Doch Countryballaden ließen sich zu dieser Zeit in England kaum verkaufen. So wurde aus DP Costello, dessen Musik, Kleidung, Geschmack und Hintergrund wenig Hinweis auf diese Entwicklung gaben, zu Elvis Costello, der neuen Hoffnung des Punk, umgemodelt (siehe Kasten Seite 57). Auf dem ersten Album lieferten noch die Pub-Rocker von Clover (der damaligen Band von Huey Lewis, der selbst jedoch nicht zugegen war) die Begleitung, konnten aber der lyrischen Schärfe, Wut und Paranoia der neueren Songs nicht immer ganz gerecht werden. Man vergleiche die schlurfige musikalische Umsetzung der Songs auf My Aim Is True nur mal mit dem rasenden backing, das die noch vor Erscheinen des Debüts formierten Attractions auf This Year's Model lieferten – oder aber der Pop-Attacke auf dem Nachfolger Armed Forces.

Man sollte sich nicht allzu viel daraus machen, dass die ersten Alben, die man macht, einen starken Eindruck bei den Leuten hinterlassen", meint Elvis Costello in einer der wenigen rückwärts gewandten Passagen unseres Interviews. Viel kriegt man über die alten Zeiten nicht zu hören, wenn man ihn darauf anspricht — zunächst scheint er darauf einzugehen, doch im Nu ist er schon wieder bei den Ereignissen der letzten Tage. "Auch wenn man heute Leute fragt, nennen sie meist eines meiner ersten drei Alben als ihr Lieblingsalbum — oder, Blood & Chocolate, weil es nach heutigen Rock 'n' Roll-Hörgewohnheiten am zugänglichsten ist. Das ist ja auch völlig okay, aber man sollte sich nicht selbst dadurch definieren und sich nicht von anderen Leuten, die eh keine Ahnung haben, erzählen lassen, alles, was man danach gemacht habe, sei nichts mehr wert. Die letzten drei Nächte haben gezeigt, dass es auch für all die unterschiedlichen Dinge, die ich jetzt tue, ein Publikum gibt," erkärt er ein bisschen stolz, ein bisschen trotzig. "Man kann ja nicht immer das Gleiche machen, man trägt ja auch nicht immer die gleichen Klamotten. Manchmal ziehe ich was Schwarzes an, manchmal was Buntes, heute trage ich eine Sonnenbrille, weil ich ziemlich müde bin von den Proben der letzten Tage und der ganzen Aufregung." – Und einen Hut. Einen lilafarbenen. Dazu einen schwarzen Anzug und ein neongrünes Hemd mit rosafarbenem Muster.

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Auf dem Bett liegt, neben einem Ukulelenkasten, ein lilafarbener Anzug und ein ebenfalls neongrünes Hemd mit rot-schwarz-gelbem ...




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Such unlikely lovers


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   Maik Brüggemeyer

Schon in den 80er Jahren begann Costello Kooperationen mit von ihm bewunderten Musikern verschiedenster Stilrichtungen (und Wendy James), die oft zu langjährigen Freundschaften führten






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Rolling Stone Germany, October 2004


In a 16-page Elvis Costello supplement:


Maik Brüggemeyer profiles Elvis Costello and reports briefly on his concert with The Imposters, Thursday, July 15, 2004, Avery Fisher Hall, New York.


Arne Willander and Maik Brüggemeyer update the Elvis Costello discography.


Graeme Thomson on how Stiff turned Declan MacManus into Elvis Costello.


Also includes a rundown of Elvis Costello collaborations, and some song highlights .


In the magazine:


Arne Willander reviews The Delivery Man and the Rhino/Edsel reissues of Almost Blue, Goodbye Cruel World and Kojak Variety.

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Elvis Costello supplement cover and back page.

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