Rolling Stone Germany, October 2004: Difference between revisions
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"Wir hatten einen Gig im Cavern Club in Liverpool," erinnert sich Brinsley-Schwarz-Sänger und -Bassist Nick Lowe, "und wir saßen gegenüber im 'The Grapes' und tranken Cocktails, um uns schon mal in Stimmung zu bringen." | "Wir hatten einen Gig im Cavern Club in Liverpool," erinnert sich Brinsley-Schwarz-Sänger und -Bassist Nick Lowe, "und wir saßen gegenüber im 'The Grapes' und tranken Cocktails, um uns schon mal in Stimmung zu bringen." | ||
"Da kam Elvis rein, und irgendwer sagte: 'Schau an, da ist wieder dieser ''weird-looking-geezer'', der immer zu unseren Shows kommt.' Und ich dachte: Dann ist's wohl Zeit, ihn mal auf ein Bier einzuladen und mich vorzustellen." Daraus entstand nicht nur eine der am längsten währenden Freund schaften in Costellos Karriere, er hatte auch seinen Mentor und den Produzenten seiner ersten Alben kennengelernt. Kein Wunder also, dass er Declan MacManus bald wieder nach London zog, wo er mit seiner neu gregündeten Band Flip City mit mäßigem Erfolg auf den Spuren seiner Helden Brinsley Schwarz wandelte; allerdings mit einem mittelschweren Country-Einschlag, denn mittlerweile hatte er ''Sweetheart Of The Rodeo'' von den Byrds und ''Gilded Place Of Sin'' von den Flying Burrito Brothers für sich entdeckt. In diese Zeit fiel auch die Veröffentlichung der beiden Gram-Parsons-Soloalben ''GP'' und ''Grievous Angel'', die zu wichtigen Einflüssen auf Declans Songwriting wurden. Erste Versionen von "Radio, Radio" (damals noch "Radio Soul"), "Mystery Dance" und "Blame It On Cain” tauchten auf. Die Fähigkeiten seiner Mitmusiker waren bei solchen Songs schnell überschritten, und es war nur eine Frage der Zeit, bis Flip City als Vehikel für das sich stetig entwickelnde Songwriting-Talent nicht mehr taugten. So spielte Declan, der mittlerweile als ''computer operator'' bei der Elizabeth Arden Company (der ''"vanity factory"'' aus "I'm Not Angry") arbeitete, die Songs solo unter dem Namen DP Costello (Costello war der Mädchenname seiner Großmutter, die Initialien deuten auf den nicht nachlassenden Gram Parsons-Einfluss.) Die Reduzierung auf Stimme und Gitarre verstärkte auch die Begeisterung für klassichen Country: Hank Williams, George Jones, Charlie Rich und Merle Haggard hinterließen ihre Spuren auf neuen MacManus-Kompositionen. | "Da kam Elvis rein, und irgendwer sagte: 'Schau an, da ist wieder dieser ''weird-looking-geezer'', der immer zu unseren Shows kommt.' Und ich dachte: Dann ist's wohl Zeit, ihn mal auf ein Bier einzuladen und mich vorzustellen." Daraus entstand nicht nur eine der am längsten währenden Freund schaften in Costellos Karriere, er hatte auch seinen Mentor und den Produzenten seiner ersten Alben kennengelernt. Kein Wunder also, dass er Declan MacManus bald wieder nach London zog, wo er mit seiner neu gregündeten Band Flip City mit mäßigem Erfolg auf den Spuren seiner Helden Brinsley Schwarz wandelte; allerdings mit einem mittelschweren Country-Einschlag, denn mittlerweile hatte er ''Sweetheart Of The Rodeo'' von den Byrds und ''Gilded Place Of Sin'' von den Flying Burrito Brothers für sich entdeckt. In diese Zeit fiel auch die Veröffentlichung der beiden Gram-Parsons-Soloalben ''GP'' und ''Grievous Angel'', die zu wichtigen Einflüssen auf Declans Songwriting wurden. Erste Versionen von "Radio, Radio" (damals noch "Radio Soul"), "Mystery Dance" und "Blame It On Cain” tauchten auf. | ||
Die Fähigkeiten seiner Mitmusiker waren bei solchen Songs schnell überschritten, und es war nur eine Frage der Zeit, bis Flip City als Vehikel für das sich stetig entwickelnde Songwriting-Talent nicht mehr taugten. So spielte Declan, der mittlerweile als ''computer operator'' bei der Elizabeth Arden Company (der ''"vanity factory"'' aus "I'm Not Angry") arbeitete, die Songs solo unter dem Namen DP Costello. (Costello war der Mädchenname seiner Großmutter, die Initialien deuten auf den nicht nachlassenden Gram Parsons-Einfluss.) Die Reduzierung auf Stimme und Gitarre verstärkte auch die Begeisterung für klassichen Country: Hank Williams, George Jones, Charlie Rich und Merle Haggard hinterließen ihre Spuren auf neuen MacManus-Kompositionen. | |||
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Als Costello im ''Melody Maker'' eine Anzeige des neu gegründeten Stiff-Labels las, machte er sich gleich auf ins Büro in der Alexander Street – vermeintlich, um ein Exemplar der neuen Nick-Lowe-Single "So It Goes" zu kaufen, eigentlich aber, um der Sekretärin von Labelmanager Jake Rivera ein Demo seiner eigenen Songs zu überreichen. Es war das erste Demo, das Rivera auf den Tisch bekam – und ein vielversprechenderes hörte er nie wieder, auch wenn die Songs (noch) nicht nach Kassenschlagern klangen. Die ''attitude'' schien eher den großen Countryballaden abgeschaut, es waren die "einzigen Songs in einem Rockidiom, in denen der Typ seine absolute Niederlage eingesteht," wie ihr Autor später in einem Interview nicht ohne Stolz feststellte. | Als Costello im ''Melody Maker'' eine Anzeige des neu gegründeten Stiff-Labels las, machte er sich gleich auf ins Büro in der Alexander Street – vermeintlich, um ein Exemplar der neuen Nick-Lowe-Single "So It Goes" zu kaufen, eigentlich aber, um der Sekretärin von Labelmanager Jake Rivera ein Demo seiner eigenen Songs zu überreichen. Es war das erste Demo, das Rivera auf den Tisch bekam – und ein vielversprechenderes hörte er nie wieder, auch wenn die Songs (noch) nicht nach Kassenschlagern klangen. Die ''attitude'' schien eher den großen Countryballaden abgeschaut, es waren die "einzigen Songs in einem Rockidiom, in denen der Typ seine absolute Niederlage eingesteht," wie ihr Autor später in einem Interview nicht ohne Stolz feststellte. | ||
Doch Countryballaden ließen sich zu dieser Zeit in England kaum verkaufen. So wurde aus DP Costello, dessen Musik, Kleidung, Geschmack und Hintergrund wenig Hinweis auf diese Entwicklung gaben, zu Elvis Costello, der neuen Hoffnung des Punk, umgemodelt ''(siehe Kasten Seite 57)''. Auf dem ersten Album lieferten noch die Pub-Rocker von Clover (der damaligen Band von Huey Lewis, der selbst jedoch nicht zugegen war) die Begleitung, konnten aber der lyrischen Schärfe, Wut und Paranoia der neueren Songs nicht immer ganz gerecht werden. Man vergleiche die schlurfige musikalische Umsetzung der Songs auf ''My Aim Is True'' nur mal mit dem rasenden ''backing'', das die noch vor Erscheinen des Debüts formierten Attractions auf ''This Year's Model'' lieferten | Doch Countryballaden ließen sich zu dieser Zeit in England kaum verkaufen. So wurde aus DP Costello, dessen Musik, Kleidung, Geschmack und Hintergrund wenig Hinweis auf diese Entwicklung gaben, zu Elvis Costello, der neuen Hoffnung des Punk, umgemodelt ''(siehe Kasten Seite 57)''. Auf dem ersten Album lieferten noch die Pub-Rocker von Clover (der damaligen Band von Huey Lewis, der selbst jedoch nicht zugegen war) die Begleitung, konnten aber der lyrischen Schärfe, Wut und Paranoia der neueren Songs nicht immer ganz gerecht werden. | ||
Man vergleiche die schlurfige musikalische Umsetzung der Songs auf ''My Aim Is True'' nur mal mit dem rasenden ''backing'', das die noch vor Erscheinen des Debüts formierten Attractions auf ''This Year's Model'' lieferten, oder aber der Pop-Attacke auf dem Nachfolger ''Armed Forces''. | |||
"Man sollte sich nicht allzu viel daraus machen, dass die ersten Alben, die man macht, einen starken Eindruck bei den Leuten hinterlassen," meint Elvis Costello in einer der wenigen rückwärts gewandten Passagen unseres Interviews. Viel kriegt man über die alten Zeiten nicht zu hören, wenn man ihn darauf anspricht. Zunächst scheint er darauf einzugehen, doch im Nu ist er schon wieder bei den Ereignissen der letzten Tage. | |||
"Auch wenn man heute Leute fragt, nennen sie meist eines meiner ersten drei Alben als ihr Lieblingsalbum, oder Blood & Chocolate, weil es nach heutigen Rock 'n' Roll-Hörgewohnheiten am zugänglichsten ist. | |||
Das ist ja auch völlig okay, aber man sollte sich nicht selbst dadurch definieren und sich nicht von anderen Leuten, die eh keine Ahnung haben, erzählen lassen, alles, was man danach gemacht habe, sei nichts mehr wert. | |||
Die letzten drei Nächte haben gezeigt, dass es auch für all die unterschiedlichen Dinge, die ich jetzt tue, ein Publikum gibt," erkärt er ein bisschen stolz, ein bisschen trotzig. "Man kann ja nicht immer das Gleiche machen, man trägt ja auch nicht immer die gleichen Klamotten. Manchmal ziehe ich was Schwarzes an, manchmal was Buntes, heute trage ich eine Sonnenbrille, weil ich ziemlich müde bin von den Proben der letzten Tage und der ganzen Aufregung." Und einen Hut. Einen lilafarbenen. Dazu einen schwarzen Anzug und ein neongrünes Hemd mit rosafarbenem Muster. | |||
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