Rolling Stone Germany, October 2004: Difference between revisions
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Nun also der dritte Abend: Wenn niemand auf sie aufpasst, sind Philharmoniker ja eher Disharmoniker, doch einige Passagen aus dem Werk, das hier gleich aufgeführt werden soll, kann man schon heraushören. Es handelt sich um das erste große Orchesterwerk von Elvis Costello. Ursprünglich geschrieben für eine Ballettaufführung von Shakespeares „''A Midsummer Night’s Dream''“ in Bologna: „''Il Sogno di una notta die mezza estate''“, kurz: „''Il Sogno''“. Unter diesem Titel erscheint nun auch eine überarbeitete Version er Ballettmusik auf Tonträger. Im April 2002 eingespielt vom London Symphony Orchestra under der Leitung von Michael Tilson-Thomas in den Abbey Road Studios in London. An diesem warmen Sommerabend in New York soll diese Version nun erstmals auf die Bühne gebracht werden. Costello kriegt man zunächst nicht zu sehen, denn nicht er steigt aufs Podest, um die Musiker mit wilden Armbewegungen zu verwirren – Avantgarde-Aficianado Brad Lubmann dirigiert dirigiert die Brooklyn Philharmonics durch die ursprünglich 200 handgeschriebenen Manuskriptseiten. Die meisten Fans warten natürlich trotzdem vor allem auf en Meister persönlich, der anschließend noch einige (Pop-)Songs mit Orchesterbegleitung geben wird, und blättern so lange gelangweilt im Programmheft. Dabei ist Costello schon während der einstündigen „''Il Sogno''“-Aufführung mehr als präsent, und das, obwohl die Musik völlig ohne seine gefürchteten Wortkaskaden auskommen muss. Der Mitteilungsdrang des hyperaktiven, hitzköpfigen, blitzgescheiten, eloquenten, bollerköpfigen, scharfsinnigen, frisch verheirateten Neuwahl-New Yorkers (ich bin sicher, Costello hätte für die Beschreibung der eigenen Person in einem Song nicht weniger Adjektive verwendet) ist – dessen ungeachtet – enorm. Jede Passage scheint von der Informiertheit des Komponisten zu künden, ein Verweis auf Dvorak hier, einer auf Gershwin dort, an einer anderen Stelle meint man Debussy zu hören – oder Charles Mingus. Das Ganze wirkt wie ein großer Kaffeeklatsch der klassischen Moderne. „Originalität wird allgemein überbewertet“, wird Costello mir einige Wochen spater auf meine schriftliche Nachfrage ob seiner Einflüsse entgegnen. „Komponisten, die wesentlich besser sind als ich, haben auch zitiert oder auf bereits bestehende Formen und Stile angespielt.“ Eine Methode, die Costello selbst bei Genrewerken wie „''Get Happy!!''“, „''King Of America''“ oder seinem neuen Album „''The Delivery Man''“ auch oft und gerne angewendet hat. | Nun also der dritte Abend: Wenn niemand auf sie aufpasst, sind Philharmoniker ja eher Disharmoniker, doch einige Passagen aus dem Werk, das hier gleich aufgeführt werden soll, kann man schon heraushören. Es handelt sich um das erste große Orchesterwerk von Elvis Costello. Ursprünglich geschrieben für eine Ballettaufführung von Shakespeares „''A Midsummer Night’s Dream''“ in Bologna: „''Il Sogno di una notta die mezza estate''“, kurz: „''Il Sogno''“. Unter diesem Titel erscheint nun auch eine überarbeitete Version er Ballettmusik auf Tonträger. Im April 2002 eingespielt vom London Symphony Orchestra under der Leitung von Michael Tilson-Thomas in den Abbey Road Studios in London. An diesem warmen Sommerabend in New York soll diese Version nun erstmals auf die Bühne gebracht werden. Costello kriegt man zunächst nicht zu sehen, denn nicht er steigt aufs Podest, um die Musiker mit wilden Armbewegungen zu verwirren – Avantgarde-Aficianado Brad Lubmann dirigiert dirigiert die Brooklyn Philharmonics durch die ursprünglich 200 handgeschriebenen Manuskriptseiten. Die meisten Fans warten natürlich trotzdem vor allem auf en Meister persönlich, der anschließend noch einige (Pop-)Songs mit Orchesterbegleitung geben wird, und blättern so lange gelangweilt im Programmheft. Dabei ist Costello schon während der einstündigen „''Il Sogno''“-Aufführung mehr als präsent, und das, obwohl die Musik völlig ohne seine gefürchteten Wortkaskaden auskommen muss. Der Mitteilungsdrang des hyperaktiven, hitzköpfigen, blitzgescheiten, eloquenten, bollerköpfigen, scharfsinnigen, frisch verheirateten Neuwahl-New Yorkers (ich bin sicher, Costello hätte für die Beschreibung der eigenen Person in einem Song nicht weniger Adjektive verwendet) ist – dessen ungeachtet – enorm. Jede Passage scheint von der Informiertheit des Komponisten zu künden, ein Verweis auf Dvorak hier, einer auf Gershwin dort, an einer anderen Stelle meint man Debussy zu hören – oder Charles Mingus. Das Ganze wirkt wie ein großer Kaffeeklatsch der klassischen Moderne. „Originalität wird allgemein überbewertet“, wird Costello mir einige Wochen spater auf meine schriftliche Nachfrage ob seiner Einflüsse entgegnen. „Komponisten, die wesentlich besser sind als ich, haben auch zitiert oder auf bereits bestehende Formen und Stile angespielt.“ Eine Methode, die Costello selbst bei Genrewerken wie „''Get Happy!!''“, „''King Of America''“ oder seinem neuen Album „''The Delivery Man''“ auch oft und gerne angewendet hat. | ||
Das Hotel, in dem ich Elvis Costello am Tag darauf zum Kaffee treffe, liegt in Soho, an der Mercer Street. Die trifft an einer Stelle auf die Bleecker Street, die in westlicher Richtung mitten ins Herz der New Yorker Folk-Szene der 50er und 60er rund den Washington Square führt, gen Osten trifft sie auf die Bowery – und zwar genau dort,wo auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Markise von New Yorks Punk-Adresse Nummer 1 zu sehen ist. Vier Buchstaben zieren sie: „CBGB“. | |||
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