Rolling Stone Germany, October 2004: Difference between revisions
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Die letzten drei Nächte haben gezeigt, dass es auch für all die unterschiedlichen Dinge, die ich jetzt tue, ein Publikum gibt," erkärt er ein bisschen stolz, ein bisschen trotzig. "Man kann ja nicht immer das Gleiche machen, man trägt ja auch nicht immer die gleichen Klamotten. Manchmal ziehe ich was Schwarzes an, manchmal was Buntes, heute trage ich eine Sonnenbrille, weil ich ziemlich müde bin von den Proben der letzten Tage und der ganzen Aufregung." Und einen Hut. Einen lilafarbenen. Dazu einen schwarzen Anzug und ein neongrünes Hemd mit rosafarbenem Muster. | Die letzten drei Nächte haben gezeigt, dass es auch für all die unterschiedlichen Dinge, die ich jetzt tue, ein Publikum gibt," erkärt er ein bisschen stolz, ein bisschen trotzig. "Man kann ja nicht immer das Gleiche machen, man trägt ja auch nicht immer die gleichen Klamotten. Manchmal ziehe ich was Schwarzes an, manchmal was Buntes, heute trage ich eine Sonnenbrille, weil ich ziemlich müde bin von den Proben der letzten Tage und der ganzen Aufregung." Und einen Hut. Einen lilafarbenen. Dazu einen schwarzen Anzug und ein neongrünes Hemd mit rosafarbenem Muster. | ||
Auf dem Bett liegt, neben einem Ukulelenkasten, ein lilafarbener Anzug und ein ebenfalls neongrünes Hemd mit rot-schwarz-gelbem ... | |||
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Muster. Das ist wohl die Abendgarde-robe. Durchaus angemessen, schließ-lich will Costello nach dem Interview in die Radio City Music Hall zum Elton-John-Konzert gehen. Seit Elton Elvis und die Attractions 2003 in die Rock 'n'Roll Hall Of Fame einführte, schei-nen die beiden äußerst gut befreundet, so fanden die Hochzeitsfeierlichkeiten von Costello und seiner (dritten) Frau, der Jazzsängerin Diana Krall, auf El-ton Johns Anwesen in London statt. | |||
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Die Krall scheint es auch zu sein, die unser Interview kurzzeitig stört, als Costellos Mobiltelefon piept - zumin-dest ist in den nächsten fünf Minuten am Ende jedes Satzes ein „my darling" zu vernehmen. Costello hatte den gan-zen Nachmittag Fotos für die britische Presse machen müssen. Nach der lan-gen Party zum erfolgreichen Ende der Konzertreihe hatte er bereits am Mittag ins Hotel gemusst. Während unseres Interviews gibt's die erste Mahlzeit -die ist natürlich kalt, nach dem Tele-fonat mit der Liebsten. „Diese drei Konzerte am Stück waren wirklich eine großartige Gelegenheit, auch wenn es natürlich viel Arbeit war in den letzten Tagen. Ich meine, das fällt ja mit mei-nem 50. Geburtstag zusammen, und statt ein großes Stück Kuchen zu essen, viel zu trinken und irgendwann schwer- | |||
mütig zu werden, so etwas wie diese Konzertreihe machen zu können und auch noch die Mög-lichkeit zu haben, statt einer nos-talgischen Rückschau etwas voll-kommen Neues wie Sogno` und „The Delivery Man' aufzuführen, war fantastisch. Und dann noch hier in New York, wo ich jetzt die meiste Zeit wohne - wir haben hier ein Apartment und ein Haus in British Columbia -, das war ein schönes Willkommensgeschenk." | |||
Angekommen in „New Am-sterdam" also. „New Am-sterdam, it's become much to much", heißt es in dem gleich-namigen Song, in dem Costello die Erlebnisse der drogendurch-wirkten „Armed Funk"-US-Tour mit seinen Attractions Ende der 70er verarbeitete. Der Song fin-det sich auf dem 1980er Album „Get Happyll", auf dem sich erstmals seine zunächst zu-gunsten von Punk und Image verdrängte Be-geisterung für ameri-kanische Musik Bahn brach. Anlass für diese Entwicklung war ein | |||
Vorfall in Columbus, Ohio, wo der Tourtross Halt gemacht hatte und man in der Hotelbar auf Stephen Stills und seine Band traf Costello, der zu dieser Zeit auch abseits der Bühne sein aggres-sives Image auslebte und den in zu kleine Jackets gepferchten Highsporn gab, geriet relativ schnell mit Stils aneinander. Zusammen mir Attractions-Bassist Bruce Thomas mach-te er sich in betrunkenem Zustand häufiger den Spaß, in aller Öffentlichkeit alberne Anti-Amerlanismen abzuschießen. „Wenn ihr uns so hasst, was macht ihr dann in unserem Land?" fragte Stills leicht verärgert. „Wir kommen, um euer Geld und eure Frauen zu ho-len", zischte Costello. „Und was ist mit unserer Musik?" - „Ihr habt keine gute Musik hier." „Und was ist mit James Brown?".Da war alles zu spät, Costello schimpf-te Brown einen ,jive-ass nigger", und auch Ray Char-les sei „nothing but a blind ignorant nigger". Er hätte wohl Ähnliches über Bruce Springsteen oder Don Henley gesagt, wenn Stills ihn nur da-nach gefragt hätte. Dummerweise waren aber die Beschimpften schwarz und Stills-Backgroundsän-gerin Bonnie Bramlett eine Tratschtante, die alles der Presse erzählte. „Wenn du eine Karriere darauf aufbaust, auf der Bühne Zorn und Wut zu verbrei-ten, egal, ob du nun wirklich wütend bist oder nicht, wirst du früher oder später Sachen sagen, die du nicht wirklich meinst", versuchte Costello seinen Ausfall spä-ter in einem Interview mit der „New York Times" zu er-klären. „Twice shy and dog tired because you've been bitten/ Everything you say now sounds like it was ghost-written", heißt es in „New Amsterdam". „Armed Fortes" war bis dahin unaufhörlich die US-Charts hinaufgeklettert, doch nach diesem Zwischenfall war erstmal Schluss mit der Eroberung des amerikani- | |||
schen Kontinents - es blieben nur noch die Frauen: Costello hatte auf der Tour das Ex-Playmate Bebe Buell (die Mut-ter von Liv Tyler) kennen und lieben gelernt, was seine Ehe in arge Schwie-rigkeiten bringen sollte. „Living a life is alrnost like suicide." Aus der Notwendigkeit, sowohl dem eindimensionalen Image entkommen zu müssen (um nicht ganz von ihm auf-gesogen zu werden), als auch seine Schuld gegenüber der von ihm ver-leumdeten schwarzen Musik (die er ei-gentlich liebte) zu begleichen, entstand „Get Happyll". Costellos viel zitierter Satz aus einem frühen Interview mit NME-Schreiber Nick Kent, er schreibe seine Songs aus „revenge and guilt" -Vergeltung und Schuld - bekam eine völlig neue Dimension, ebenso wie sei-ne Musik. „Get Happy.!", die Vernei-gung vor schwarzer amerikanischer Mu-sik im Allgemeinen und Motown im Speziellen, bediente eine weitaus breite-re Gefühlspalette als seine ersten drei Alben und ist vielleicht Costellos bis heute bestes Album. Die Faszination für ameri-kanische Musik und die Rück-kehr zu seinen musikalischen Wurzeln zeigte sich danach auch auf„Allmost Blue", seiner lauwarmen Country-Co-ver-Platte, und „King Of America", der genia-len halbakustischen Countryfolk-Platte von 1986, die er größ-tenteils mit amerika-nischen Musikern wie James Burton, Jim Kelt-neu Jerry Scheff und dem Freund und Produzenten T-Bone Burnett aufnahm. | |||
Auch das neue Al-bum, „The Delivery Man", ist deutlich in der amerikanischen Musik-tradition verwurzelt, spe-ziell in den Südstaaten der USA, weshalb wohl auch kurz-zeitig das Gerücht kursierte, das neue Album werde „South" heißen. Denn in den Süden gingen Costello und The Imposters, um „The Delivery Man"auf-zunehmen, In kürzester Zeit, live im „Sweet Tea"- Studio in Oxford/Ten-nessee und in einem kleinen Ra-diostudio in Clarksdale. Der gro-ße (Mersey?-/Mississippi?-)Del-ta-Blues-Man Elvis Costello? „Leute sind immer an dem interessiert, was weit weg ist. Viele der englischen | |||
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Wie das Stiff-Label aus dem unscheinbaren Pubrocker Declan MacManus den neuen Punkstar ELVIS COSTELLO machte/ von Graeme Thomson | Wie das Stiff-Label aus dem unscheinbaren Pubrocker Declan MacManus den neuen Punkstar ELVIS COSTELLO machte/ von Graeme Thomson | ||
Transatlantische Freunde: Richard Hell (I.) und Costello 1978 im New Yorker CBGB | |||
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Revision as of 23:28, 9 April 2024
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