Die Idee war simpel, aber schien plausibel: Für sein erstes deutsches ROLLING STONE-Cover wollten wir Elvis Costello inszenieren, wie er uns im Juli 1977 aufseinem Debüt ,,My Aim Is True” erstmals erschien: ais X-beiniger Nerd mit Buddy-Holly-Brille und Fender Jazzmaster im Anschlag. So hat man ihn immer noch im Kopf, obwohl er natüriich längst nicht mehr der Angry Young Man von damals ist. Heute beherrscht er auch die Zwei schentöne und die Blue Notes, ist im Adagio genauso zu Hause wie im Prestissimo. Könnte ein spannender Kontrast werden, dachten wir, wenn der 58-Jährige, der sich sicher nicht in umgekrempelter Jeans und zu engem. Jackett, sondern in feinem Anzug und mit Hut zeigen würde, die Pose von einst nachstellt.
Aber es kommt alles ganz anders. Elvis trägt zwar tatsächlich einen Anzug, will dann aber doch noch schnell seine Lederjacke holen, weigert sich schließlich, seine Fender Jazzmaster urnzuschnallen (sein Manager bringt ein anderes Modell) und die Beine will er auch nicht biegen. Geschweige denn die Sonnenbrille gegen das alte Modell tauschen. Es wird dann sogar noch em bisschen lauter, und der Künstler verschwindet nach einer Tony-Soprano-artigen Tirade, in der er die Bedeutungsfülle eines englischen four-letter-words in all seinen Beugungen voll ausschöpft, vor Wut dampfend aus dem nur für diesen Anlass angernieteten "Berlinzimmer” im Hotel Adlon. Betretenes Schweigen. Vieilleicht doch keine so gute Idee mit dem Nachstellen. Den sehen wir jedenfalls heute nicht mehr wieder. Nebenan im Brandenburg-zimmer” hört man Mitglieder des Rotary-Clubs ihre Suppe löffeln.
So ganz ohne Rage ist Elvis Costello immer noch nicht zu haben. Als er im September 1982 durch eine riesige Hornbrille erstmals vom Cover des amerikanischen Rolling Stone herunterschaute, ging es auch um einen solchen Ausbruch. “Elvis Costello repents” - “Elvis Costello tut Buße” war damals die Titelzeile, und Greil Marcus befragte den Hitzkopf zu einem Vorfall, der sich dreieinhalb Jahre zuvor in einer Hotelbar in Columbus, Ohio ereignet hatte. Der damals 28-jährige Brite war dort volltrunken mit Stephen Stills und der Sängerin Bonnie Bramlett aneinandergeraten. Es ging um die Frage, wer musikalisch wohl mehr zu bieten hätte, die USA oder das Vereinte Königreich. Irgendwann war die hitzige Diskussion aus dem Ruder gelaufen, und nachdem seine Kontrahenten Ray Charles und James Brown für Amerika ins Feld geführt hatten, sah Elvis sich wohl in die Ecke gedrängt und beschimpfte die beiden Väter des Soul entgegen seiner Überzeugung aufs Übelste. Kurz danach waren die Zeitungen durch Bramletts Hilfe voll davon. Seine Platten seien nach diesen idiotischem Vorfall nicht mehr im US-Radio gespielt worden, so Costello zu Marcus, “es gab um die 120 Morddrohungen - oder Androhungen von Gewalt welcher Art auch immer. Ich hatte für den Rest der Tour bewaffnete Bodyguards. “ Mit der Karriere in Übersee war es dann erst mal vorbei.
Und das, wo er doch nichts mehr liebte als die amerikanische Musiktradition. Bereits auf seiner ersten Single, “Less Than Zero” von 1977, konterte er die im Windschatten der Sex Pistols von seinem Label Stiff als Punk angepriesene A-Seite mit einem Countrysong auf der flipside. Und nach dem Vorfall in Columbus zeigte er Reue, indem er sein nächstes Album, “Get Happy!!”, dem Sound von Stax und Motown widmete. Seine Band, die Attractions, erwies sich als grandiose R&B-Combo, und Costello begann langsam, sich vom zornigen jungen Mann zum Meister aller Stile und Klassen zu entwickeln, nahm ein Album mit Country-Covers auf, brillierte in klassischem Pop und Folk. Mittlerweile hat er mit Jazzbands gearbeitet und mit Streichquartetten, ein Album mit dem Meister des New-Orleans-Sounds, Allen Toussaint, augenommen und eines mit der schwedischen Sopranistin Anne Sofie von Otter, hat Ballettmusik geschreiben und sich an einer Oper versucht. Gerade arbeitet er mit Burt Bacharach an einem Broadway-Musical, und nun erscheint - ein HipHop-Album! Na ja, fast.
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