Vienna Presse, April 12, 2002

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"Inspiration, vielleicht auch Diebstahl":
Der Sänger, der grausam war"


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   Samir H. Köck

Elvis Costello veröffentlicht mit When I Was Cruel seine erste Pop-Platte seit sieben Jahren. Mit der Presse sprach er in Dublin über seine Liebe zum Jazz, seinen neuen Hang zur Soundtüftelei und die Schönheit des Häßlichen.

Vorbei die Zeiten, als sich Elvis Costello mit der Kommerz-Musikszene Nashvilles anlegte, Country-Größe Dolly Parton anpöbelte und Musikjournalisten das Existenzrecht absprach. Der Furor des Punk und der Zorn über den Käfig, den der Popstarruhm mit sich bringt, scheinen verraucht. Hoch über der schönen Bucht von Killiney, in einem Grand Hotel von leicht abgeblättertem maritimem Charme, sitzt einer der talentiertesten Grübler des Schaugeschäfts bei Früchtekuchen und parliert ausgeruht über den jüngsten Hakenschlag seiner Kunst.

Nach etlichen, teils recht seltsam anmutenden musikalischen Kollaborationen — etwa dem gräulichen For The Stars mit Operndiseuse Anne Sofie von Otter — hat sich der deutlich fülliger gewordene Singer-Songwriter wieder dem rauhen Charme billiger Gitarren zugewandt, ohne daß es je unappetitlich wird.

Wo einst der Fokus des Interesses auf der Liedstruktur lag, ist das am 15. April erscheinende Album When I Was Cruel von einer lustvollen Befassung mit den Qualitäten von Sounds zwischen Eu- und Kakophonie geprägt. "Wir haben zwar einige nicht alltägliche Instrumente wie Harmonium, Melodica und auch Rhythmusprozessoren verwendet, aber die Arbeit am Klangbild geschah großteils in der vierwöchigen Nachproduktion: Ich tüftelte mit den Ingenieuren, um alles noch organischer klingen zu lassen. In der Hauptsache entstehen interessante Sounds aber weniger am Mischpult als in der raffinierten Kombination der Instrumente."

Schon mit 13 Jahren begann der als Declan Patrick MacManus in eine Musikerdynastie Geborene an Instrumenten herumzufingern — 1977, im Sinn-Vakuum der ersten Post-Punk-Tage, kam er mit seinem Album My Aim Is True groß heraus. Mit den Jahren wuchs seine Hinwendung zur Musik seiner Kindheit. Vater Ross war Sänger und Trompeter im Joe Loss Orchestra, Mutter Lillian Geschäftsführerin im Plattenladen von Beatles-Manager Brian Epstein. Der junge Elvis Costello war also stets mit Jazz und Swing in Berührung, was nachhaltige Folgen haben sollte.

So gastierte er beim legendären Count Basie. Und für seinen Song "Shipbuilding" gelang es ihm bereits 1982, Chet Baker für ein Solo zu engagieren. "Bei dieser Gelegenheit gab ich Chet ein Lied, das ich für ihn komponiert hatte: 'Almost Blue,' wo ich auch versuchte, seinen Stil zu imitieren. Er komponierte ja kaum, hatte aber unbestritten einen sehr persönlichen Stil."

"Wir trafen einander noch oft, doch sprachen nie mehr über ,Almost Blue'. Um so erstaunter war ich, als mir jemand Monate nach Chets Tod ein Tape mit einer wundervollen Aufnahme dieses Liedes gab. Später hat auch Little Jimmy Scott es ganz ergreifend interpretiert... Es gibt ja nicht viele, die meine Songs coverten, aber darunter sind Kaliber wie Roy Orbison, Dusty Springfield, Johnny Cash und eben Chet Baker und Jimmy Scott. Das macht mich schon ein wenig stolz."

Also warum nicht wieder etwas mit Jazzern anfangen? Der seit zwölf Jahren in Irland, dem Land seiner Vorväter, ansässige Künstler engagierte für sein aktuelles Album mit Ku-umba Frank Lacy, Curtis Fowlkes, Jay Rodriguez und Roy Nathanson eine hochkarätige Bläsersektion, die einigen Songs das richtige Maß an Schrägheit gaben. "Eine Supersache war, daß ich erst kurz vor den Sessions erfuhr, daß Frank Lacy auch ganz ausgezeichnet Trompete spielt. Da habe ich spontan einige Trompetenparts geschrieben, die nun Stücke wie "15 Petals" und "...Dust" ganz entscheidende Dynamik geben."

Tatsächlich gehören diese langen Stücke — "...Dust" wurde erst nachträglich zerlegt — zu den besten Momenten Costellos. Imaginative Arrangements, ein gewisser Mut zur Häßlichkeit, überraschend organischer Sound, die gewohnt guten Texte: Songjuwelen. Dieses Niveau wird leider nicht durchgehalten. Lieder wie "45," wo Costello der Zahlenmagie und der Allmacht von Popsongs in unser aller Leben nachsinnt, sind zwar textlich reizvoll, aber musikalisch nur ein Aufguß schon gehörter Melodien.

"Wir haben ein hochqualifiziertes Team von Musikern und Ingenieuren beschäftigt, um sicherzustellen, daß wir nicht unbeabsichtigt eine Platte machen, die wir schon einmal veröffentlicht haben" — dieses Statement Costellos zeigt nur zu deutlich, daß grimmiger Humor auf unangenehmen Wahrheiten basiert. Doch mit "Spooky Girlfriend" und dem epischen Titeltrack "When I Was Cruel No. 2" gelangen noch zwei weitere überragende Songs.

Auf letzterem bedient sich Costello der Sampling-Methode, die er vor nicht allzu langer Zeit verdammt hat. "Sampling kann ganz furchtbar sein, wenn es unmusikalisch ist. Nicht selten werden da ganze Grooves in nicht dazu passende Melodien hinüberoperiert. Man kann durchaus Häßlichkeit aus Gründen der Dramaturgie in die Musik bringen, aber doch nicht auf solch plumpe, ignorante Art. Ich selbst habe viel von Ideen anderer geschöpft. Man kann es Inspiration nennen oder Tribut oder vielleicht auch Diebstahl."

"Songwriter meines Schlages gehen eben von der Grundstimmung einer legendären Platte aus. Auf '...Dust Pt. 2' haben wir uns sogar selbst gesampelt, was eine Möglichkeit darstellt, selbst erst richtig spontan zu agieren. Aber was heutzutage so alles passiert... Manche Leute haben eben die Möglichkeiten der Sample-Technik noch nicht ganz erforscht."


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Die Presse, April 12, 2002


Samir H. Köck reviews When I Was Cruel.

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When I Was Cruel album cover.jpg

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