Vienna Presse, July 5, 2005

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Jazzfest: Elvis Costello in der Staatsoper


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   Thomas Kramar

Elvis Costello mit den "Imposters" in der Staatsoper: Ein Mann für alle Stimmungslagen, in einer grausamen, schönen Welt.

"Ich wünschte, ich würde dich nicht so hassen", singt, nein: gellt der Herr mit der großen Stirn ins Mikrofon, das vor Schreck zu zittern scheint: "Und ich verschwende all meine Verachtung für ein kleines Nichts wie dich." Keine Frage, man hat ihm etwas angetan, wer auch immer, und jetzt schlägt er zurück, mit bitterer, brüchiger Stimme...

So kennen und lieben wir Elvis Costello, der einst, als die New Wave neu und die Hornbrille uncool war, den hornbebrillten Verlierer gab, der angesichts der modischen Welt der Schönlinge nur verächtlich die Lippen kräuselte: "I don't want to go to Chelsea!" Der den Mädchen treuherzig nachrief: My aim is true! Und sich mit Selbstironie harmoniesüchtig gab: "What's so funny 'bout love, peace and understanding?" — All diese klassischen Posen brachte Costello, der wie viele hässliche Männer mit dem Alter immer schöner wird, seine Anzüge aber weiterhin mit Bedacht wählt (taubengrau, mausgrau, katzengrau, nachtgrau, sternhagelgrau, je nach Anlass), in die Staatsoper, in kriminell spitzen und funkelnden Schuhen, begleitet von den Imposters, die sich wie Costellos erste Band The Attractions auf einen ruppigen Beat verstehen, auf kunstvoll holpernde Rhythmen, so schroff wie das Schicksal, schnöde wie diese Welt.

Aber sie können auch schön spielen, so wie Costello auch schön singen kann, mit warmem Timbre und beachtlichem Stimmumfang, wenn er will. Er wollte über die Jahrzehnte immer öfter, erweiterte das emotionale Spektrum seiner Songs: von angefressen auf angerührt auf berührt auf besinnlich. Und wie's oft so ist: Wer im Selbstmitleid geübt ist, dem fällt das Mitleid leichter: mit dem "Little Angel" etwa, dem Barmädchen im "Lonely Hearts Club", aber auch mit ihren Klienten. Ob Costello wirklich seine Karriere in einem Lokal dieses magischen Namens begonnen hat? Bald war jedenfalls klar, dass er ein haltloser Romantiker (und bekennender Burt-Bacharach-Fan) ist, und ein wenig später kam Anne Sofie Otter, kamen die Streicher...

Nun, über die "klassischen" Versuche Costellos kann man geteilter Meinung sein. Dass die Songs, die er so aufgenommen hat, sein Niveau halten, zeigten in der Oper etwa "No Wonder" oder "Still": Hier wurden die Imposters richtig zärtlich, und Costello hörte den Schwebungen seiner Saiten nach. "Almost Blue", ach, schön.

Leichter war's halt, als man noch grausam war! Also "When I Was Cruel No. 2", wieder schneidend, und "Monkey to Man", die misanthropische Sicht der Evolution: der Mensch als "idiot cousin", nur dazu gut, um die anderen Tiere zu füttern. Man will ja nicht sentimental sein, wie's in "Alison" heißt, das dann eben doch — Elvis, wer? — in "Suspicious Minds" mündete. Denn, bitte, was ist so lustig an Liebe, Frieden und Verständnis? Gar nichts.

Und weil Soul die Musik ist, die Ironie abweist wie Öl das Wasser, führte Costello noch vor, wie wunderbar er "At The Dark End of the Street" singen kann, indes sich die rauen Imposters in einen innigen Gospelchor verwandelten. Spätestens da hatte er gewonnen. Und als er fast schon freundlich lächelnd endlich in den Zugaben nach Stärke ("God Give Me Strength", mit der jammervollen Zeile "She took my last chance for happiness") und einer Schönen ("I Want You") flehte, hätten wohl alle Anwesenden beide Anliegen unterstützt. Verständnis!

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Die Presse, November 1, 2011


Thomas Kramar reviews Elvis Costello & The Imposters, Sunday July 3, 2005, Vienna State Opera, Vienna, Austria.


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