WOM Journal, August 1995

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Der Elder Statesman der bösen Zunge


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   Michael Sailer

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Er wünschte Maggie Thatcher den Tod, war der erste Rockstar, der in Buchhalterverkleidung Erfolg hatte, versuchte sich in Jazz, Country und Punk-Rock und ist der Sohn eines bekannten Entertainers. Michael Sailer traf Elvis Costello in London und erfuhr, daB seine Wut auch mit 41 noch nicht verraucht ist.

Die Frage des Zimmerkellners, »Wünschen Sie noch etwas?«, 1st hoflich gestellt, und Elvis Costello antwortet ebenso distinguiert »Vielleicht etwas Heroin und em n Maschinengewehr. Was mochtest du?« Ich bleibe beim Mineralwasser, wahrend sich emn bestens gelaunter DecIan McManus (wie Elvis eigentlich heiBt) im Sessel rakelt und in seiner musikalischen Vergangenheit wühlt, die er auf seinem neuen Album »Kojak Variety« mit Liebe und Akribie dokumentiert hat. »Die Songs sind em n winziger Ausschnitt aus dem, was ich als lunge gehart habe, so etwa ab 1964. Mein Vater sang damals in einem ber0hmten Orchester, das hier urn the Ecke im Hammersmith Palais zum Tanz aufspielte. Sie waren so was wie die Jukebox der damaligen Zeit. Er bekam von den Plattenfirmen Vorabpressungen aller neuen Hits, und wenn er the Songs einstudiert hatte, landeten die Scheiben be/ mir Und ich lebte darn/f, Tag und Nacht, weil ich noch kein Geld hatte, urn mir selbst Platten zu kaufen. Ich war zehn, in dem Alter wird al/es sehr schnell alt Rhythm In' Blues oder die Beatles zum Beispiel waren neu, dagegen verkarperten Cliff Richard und Elvis Presley feir mich Rock In' Roll, und das war definitiv altmodisch.« 

Der Weg vom Fan über das wandelnde Musik-lexikon zum unkonventionellen Star war lang und führte zunachst in ganz andere Richtungen: »Erstma I war ich neugierig, dann interessierte ich mich fur wirklich alles, besonders fur Jazz. Richtig verstanden habe ich Jazz allerdings erst vor ein paar Jahren. Dazu mu3 man stillsitzen und zuhoren /carmen, mit 15 braucht man irgendeine Art von Punk Rock. lch kann mir auch nicht vorstellen, wie jemand, der heute jung ist, sich auBerhalb einer Diskothek Techno-Platten anhoren kann, sich dieser militarischen Strenge unterwerfen. Da mu 3 man doch was zerschmei Beni« Ehe es ans ZerschmeiBen ging, unterzog sich Declan McManus erst einmal der Tretmühle eines bürgerlichen Lebens: »lch war verheiratet und hatte em n Kind. Musiker zu werden hate bedeutet, ohne Geld nach Hause zu kommen. Wir hatten so eine Art Feierabendband, als die Pub-Rock-Welle losging. lch bewunderte die Leute, konnte mir nie vorstellen, einer von ihnen zu sein. Bis lake Riviera, der gerade in seinem Schuppen Stiff Records gegrundet hatte, eine Platte mit mir machen wollte. Al/es war total chaotisch, niemand hatte Geld, keiner wuBte, ob irgend etwas je erscheinen würde.«

In der Folgezeit erarbeitete sich Costello einen Ruf als Wütender junger Mann, der politisches Engagement, besen Zynismus und schimmernde Pop-melodien zu seinem ganz eigenen Stil verband. »Damals war in England alles irgendwie politisch. Es gab jede Menge Arger, well ich Dinge in kurze Statements faBte, wahrend Bands wie die Simple Minds em n endloses pathetisches Gejammer über ihre angebliche Betroffenheit veranstalteten, Heute hat sich der Faschismus gewandelt zu einer Art von absolutem, isoliertem Egoismus, gesteuert von Medien, die eine angebliche Wirklichkeit vortauschen. Das ist das Werk von Maggie Thatcher und ihrer Bande, ihrer Lebensphilosophie der nackten Gier. Gegen die neuen Faschisten anzugehen ist schwer, well sie anders aussehen als Hitler, Stalin oder Richard Nixon. Die haben gelernt, was Entertainment ist — denk' an Rupert Murdoch — deswegen muRte auch ein Gesicht wie Thatcher verschwinden. Heute ist es egal, wieviel Steuern du den Leuten abpre3t, gib ihnen Fu3- ball und Fotos von nackten 13jahrigen zwischen Berichten Uber die grausige Welt auRerhalb En glands, und al/es ist okay. Wir werden nur immer. bloder Ich warte noch auf die TV-Show zum Bombenanschlag in Oklahoma. Wie wohl die Titelmelodie klingen wird?« 

Die Geschichte der »Begegnungen« mit den Songs, die sich auf »Kojak Variety« wiederfinden, erzahlt Elvis Costello auf dem Innencover der CD, wichtiger ist ihm jedoch, wie sie zu Costello-Songs wurden. »Worum es mir bei den meisten Songs, nicht nur auf diesem Album, ging, war die Verbindung von richtig scheinen Melodien mit einer so extremen Interpretation, daB man die Schanheit kaum mehr hart. So wie Tom Waits, aber naturlich ganz anders. Und andererseits haben einige der Songs eine Pop-Eleganz, die man den Originalen kaum anhort« Das klappt ganz prima, nur über den Kinks-Klassiker »Days« geraten wir uns in die Haare: Ich finde Costellos Version allzu elegisch und getragen. »lch behaupte nicht, cla3 ich besser als du we/B, wie Ray Davies den Song gedacht hat. Oder Kirsty MacColl, deren Version ist noch trauriger!« kontert Elvis. »lch habe ihn immer als sehr traurig empfunden, als lch hatte nie Angst vor der dunk/en Seite, die eigentlich fast jeder Song hat Es dauert em n bi3chen, bis man sich reingehart hat, vielleicht so//test du's noch mal probieren. Vielleicht auch nicht, das ist eben die Gefahr, wenn man bekannte Songs aufnimmt. Vor kurzem habe ich Annie Lennox' neue Single gehort und fand sie recht gut, aber als ich dann sah, da3 das Album nur aus Coverversionen bestand, hab' ich's mir gar nicht angehort Es würde mich bei einigen der Songs echt wundern, wenn sie eine gute Version hingekriegt hate. Im übrigen wird an Coverversionen jeder immer was zu meckem finden, aber es hat mich nie interessiert, irgend jemanden zufriedenzustellen, sonst hatte ich die letzten 17 Jahre andere Musik gemacht üder ware Politiker geworden.« 

1st die melancholische Erinnerung an die eigene Jugend so etwas wie Declan McManus' Abschied von Elvis Costello und dem aufreibenden Popzirkus? Zu Bedinn seiner Kamere behauptete Elvis, er kenne keine Gefühle auBer Schuld und Rache. »Oh, ja!« lacht er, 15 Jahre spater. »Aber damals mue ich ungefahr zwolf gewesen sein.« Eine solche Antwort habe ich erwartet. »Siehst du, dann hatte wenigstens einer von uns recht« 

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World Of Music Journal, August 1995


Michael Sailer interviews Elvis Costello about Kojak Variety.

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Costello-Fact


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   Michael Sailer

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1. Declan Patrick McManus wurde am 25. August 1954 in London geboren. Sein Vater Ross McManus leitete das in England beriihmte (und noch existierende) Joe Loss Orchestra, das semen einzigen groBen Hit (»Patsy Girl«) in Deutschland hatte.

2. Elvis verlieB mit 16 die Schule und arbeitete Ms (ungelernter) Computer-Programmierer in einer Kosmetikfabrik. Nebenbei trat er Ms D. R Costello (der Madchenname seiner Mutter) in Folk-Clubs auf, ehe er fur emn Demo mit der Session-Band Flip City einen (mlindlichen) Vertrag mit Stiff Records ergatterte.

3. Die lnteressen des »besten Songwriters 1989« (Rolling Stone) sind breit gefachert: Neben einem Album mit Country-Covers (Almost Blue, 1981) und einem mit dem Brodsky-Quartett (The Juliet Letters, 1993) arbeitete er mit und fiir The Specials, die Pogues, Paul McCartney, Wendy James, Presley-Bassist Jerry Scheff und als Schauspieler.



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