Herr Costello, warum überlassen Sie die Zusammenstellung Ihrer Setlisten dem Zufall? Es wäre sicher viel einfacher, eine ganze Tournee lang das mehr oder weniger gleiche Programm zu spielen.
Die Shows mit dem Glücksrad machen mir viel Spass und stellen mich und meine Band auch immer wieder vor grosse Herausforderungen. Sobald der Zeiger bei einem Titel stehen bleibt, müssen wir uns blitzschnell in die richtige Stimmung versetzen, um den Song glaubwürdig spielen zu können. Dazu kommt, dass das Publikum auf eine ganz andere Art und Weise involviert ist als bei gewöhnlichen Konzerten: Ich kriege direkt von den Zuschauern erzählt, was sie fühlen, wenn sie eines meiner Stücke hören, manchmal werden Songs gewünscht, die gar nicht auf dem Glücksrad drauf sind. Wenn es irgendwie geht, versuchen wir diese Wünsche zu erfüllen.
So aber müssen Sie um die 40 Songs im Repertoire haben. Ist das für Sie keine Belastung?
Ich habe ein ziemlich gutes Gedächtnis, was auch ein Fluch sein kann. Denn ich trage viel Materie mit mir herum, es überrascht mich immer wieder, an was alles ich mich erinnere. Mein gutes Gedächtnis verleitet mich auch dazu, Songs aufzuführen, die ich schon lange nicht mehr gesungen und darum nicht mehr im Griff habe. Aber das ist in Ordnung, mir ist es wichtig, live ein bisschen unberechenbar zu bleiben.
Unter Musikern scheint es geradezu Mode, die Livepräsentation zu überdenken: Metallica spielen das «Black Album» nach, die Simple Minds tun so, als hätten sie seit 30 Jahren keine Songs mehr geschrieben.
Dieser Trend hat damit zu tun, dass die Rockmusik viel älter geworden ist, als man einst für möglich gehalten hat. Nach mehr als fünfzig Jahren Geschichte ist es kein Wunder, dass Rockkonzerte etwas überlegter daherkommen als früher. Natürlich spielt die Nostalgie da eine Rolle, aber nicht bei mir.
Könnte man Ihre Show auch als Kritik an der heutigen Musikszene verstehen, sprich an der Tatsache, dass Konzerte immer mehr zum Kabarett verkommen?
Überhaupt nicht. Ich habe einfach einen neuen Weg gesucht, meine Musik auf die Bühne zu bringen. Ich weiss nicht, warum man hinter allem, was ich tue, ein theoretisch überfrachtetes Konzept vermutet. Ich werde aufgrund meiner Texte für einen Intellektuellen gehalten, dabei bin ich in Wirklichkeit alles andere als intellektuell. Ich lese höchstens ein bisschen Lyrik und nehme auch mal ein Geschichtsbuch in die Hand, aber das wars auch schon.
Und doch haben Sie sich weit in die Welt der klassischen Musik vorgewagt, die ja als Hoheitsgebiet der Intellektuellen gilt.
Hätte ich mich nicht als klassischer Komponist versucht, Jazzplatten eingespielt und mit Countrymusikern zusammengearbeitet, ich würde heute sicher keine Rockmusik mehr spielen. Ich wäre ihrer längst überdrüssig. Dank der vielen unterschiedlichen Projekte habe ich an ihr immer noch meine helle Freude.
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