Endlich macht Elvis Costello seinem Vornamen wieder Ehre. Gleich zu Beginn seines neuen Albums "The Boy Named If" rockt und rollt er los, als gehe es um Leben und Tod. Bei Elvis dem Jüngeren heisst es "Farewell OK" statt "Heartbreak Hotel", doch obschon Costello schon 67 Jahre alt ist, stürmt und drängt er mit Vollgas ins Bild. Dass er auch ein vollendeter Songwriter ist, hört man auf jedem der 13 Songs, die an die besten Momente seiner langen Karriere anknüpfen. Gestartet als eine Art Buddy Holly mit Punkattitüde, wurde er zu einem der profiliertesten Vertreter der intelligenten Popmusik.
Die Pandemie scheint bei Costello Frühlingsgefühle statt Winterdepressionen ausgelöst zu haben. Vor einem guten Jahr erschien das Soloalbum ""Hey Clockface", dann arbeitete er mit spanischsprachigen Sängerinnen und Latino-Stars, die seinem Klassiker "This Years Model" (1978) neue, witzige Nuancen entlockten.
Favorit für die Platte des Monats Januar
Die Auseinandersetzung mit seinem Frühwerk und dem Hochgeschwindigkeitspop seiner damaligen Band The Attractions hat Costello hörbar inspiriert. Auf "The Boy Named If" lässt er seinen aktuellen Begleitern The Imposters (zwei Drittel der Attractions sind präsent) erfreulich viel Auslauf und präsentiert ein vielschichtiges Porträt des Künstlers in dreizehn Momentaufnahmen. Reggae, Merseybeat, Elektronika, New Wave, Balladen: Alles zu haben und exzellent gespielt.
Dass er nicht nur ein neo-juveniler Rocker, sondern auch ein Meister des Worts ist, hört man in diesen dunklen Songs zwischen Hoffnung und Verzweiflung, die von den unerwarteten Wendungen berichten, welche das Leben immer wieder nimmt.
Wer mehr Costello will, kann sich die Special Edition des Albums besorgen, der ein 88-seitiges Booklet mit 13 Kurzgeschichten beigelegt ist. An einer Schreibblockade leidet Elvis Costello derzeit wahrlich nicht. Bleibt zu hoffen, dass Costello seinen zweiten Frühling nächsten Sommer auch auf Schweizer Bühnen ausleben wird.
Elvis Costello & The Imposters: The Boy Named If (EMI).
|