"Why Can't a Man Stand Alone?" singt Elvis Costello zum Auftakt, und er scheint dies in eigener Sache zu fragen: So beinahe allein auf der Bühne, in mausgrauem Anzug, der Kittel eine Nummer zu lang, die Haarlücken hoch über der Brille immer breiter, so verloren und klein wirkt er, nur grad der langjährige Mitmusiker Steve Nieve am Piano zur Linken und zwei Gitarren in Griffnähe: Wird er den Abend bestehen können, ein ganzes Konzert lang?
Eine erste Antwort gibt der 45-jährige Costello bereits im zweiten Song, "Accidents Will Happen" — losgelöst vom üppigen Bandlärm der Endsiebzigerjahre legt dieses Lied all seine Strukturen frei und klingt jetzt als wärs ein Stück von Bacharach.
Painted From Memory, ein ganzes Album, schrieb Costello letztes Jahr zusammen mit Burt Bacharach, dem Doyen des modernen Popsongs. Was der Engländer irischer Abstammung aber zusätzlich auf die Bühne bringt, sind zwanzig Jahre eigene Lieder, ein opulentes Songbook, das von der ohrwürmigen Gitarrenklimperei "Girls Talk" bis zur Motowniade "Everyday I Write The Book" reicht, vom sezierten Reggae "Watching The Detectives" bis zur Springsteen-Pastiche "Rocking Horse Road." Und dazwischen immer wieder Balladen, bedächtige Stücke voll von ausgetüftelten, akkordumrankten Melodien, Lieder, die Herz und Hirn zugleich ansprechen, Songs, die die Sehnsucht nach Grossartigkeit und Versagen wach rufen.
Die knappe Instrumentierung bringt die stilistische Vielfalt zu Tage und rückt die Lieder dennoch näher zueinander. Und wenn der Sänger mal die Gitarre ganz weglässt — so etwa bei den meisten Bacharach-Kooperationen — gedeiht das Konzert zur szenischen Lesung. Ein kleiner Fingerzeig, eine leise Handbewegung, eine angedeutete Pose, all dies verweist auf die Brillanz von Costellos Texten, macht den schmalen Grat zwischen Burleske und Tragödie, zwischen Himmel und Hölle, zwischen Liebe und Verrat spürbar. Die flirrende Schwebe zwischen den Geschichten, die die eigenen sein könnten, und jenen, die eindeutig von anderen Welten handeln.
"God's Comic" singt er, eine wunderbare Version des Schlüsselliedes seines Meisterwerkes Spike; aber Elvis ist sein ureigenster Clown, der in dieser Paradiesfiktion spontan ein Treffen mit Namensvetter Elvis und mit seinem Vorbild Frank Sinatra arrangiert — nicht ohne das Publikum mit einzubeziehen und die kurlige Refrainzeile mitsingen zu lassen: "Now I'm dead, now I'm dead."
Und er witzelt immer wieder, britisch cool und kurz, holt einen Schlussakkord lang die alte Punksau aus dem Ärmel, hängt da und dort systematisch Popgeschichte an, Otis Blackwell an "Inch By Inch" oder Van Morrison an "Radio Sweetheart." Manchmal verlässt er die Nähe des Mikrofons, zieht sich eine Endzeile lang singend nach hinten zurück, "In the Darkest Place." Um quasi mit Understatement anzudeuten, dass er vor allem auch ein grossartiger Sänger ist, fähig seinem scharf schneidenden, leicht brüchelnden Timbre die ganze Palette menschlicher Gefühle aufzuladen; dass er alle Register drauf hat, vom Hauch bis zum Schrei, von der schleifenden Bluesnote bis zum klassischen Vibrato.
Und in der Tat, nach mehreren Zugaben — inklusive Nick Lowes alter Hippie-Rettungshymne "What's So Funny 'bout Peace, Love and Understanding?" und seinem jüngsten Power-Gospel "God Give Me Strength" -, nach zweieinhalb Stunden dichtester Musik kommt Elvis Costello ein fünftes Mal auf die Bühne zurück und schenkt dem begeisterten Publikum den Schlusswalzer aus seinem 91er Rosenalbum, diesmal ganz ohne Mikrofon, ein Mann und eine Stimme, allein aber nicht einsam. Jenes Lied, das mit der Zuversichtszeile endet: "I can't believe, I'll never believe in anything again."
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